Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Andorra ist eine parlamentarische Demokratie und wird in Doppelherrschaft (Artikel 43 Abs. 2)[1] von zwei Fürsten regiert: zum einen vom französischen Staatspräsidenten und zum anderen vom Bischof des spanischen Bistums Urgell.
Die Verfassung des Fürstentums garantiert die Religionsfreiheit und legt fest, dass „die Freiheit, eine Religion oder einen Glauben zu leben, nur insofern begrenzt ist, wie dies gesetzlich vorgeschrieben und im Interesse der öffentlichen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Volksgesundheit, öffentlichen Moral oder zum Schutz von grundlegenden Rechten und Freiheiten anderer erforderlich ist“ (Artikel 11 Abs. 2).
Laut Verfassung wird das besondere Verhältnis zwischen dem Staat Andorra und der Katholischen Kirche „im Sinne der Tradition Andorras“ gewürdigt und „die volle Rechtsfähigkeit der Organe der Römisch-Katholischen Kirche anerkannt, deren Rechtsstatus sich aus ihren eigenen Bestimmungen ergibt“ (Artikel 11 Abs. 3). Die Beziehungen zum Heiligen Stuhl sind im Konkordat von 2008 geregelt.[2]
Ferner sieht die Verfassung vor, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Sie untersagt „Diskriminierungen aufgrund der Geburt, der Ethnie, des Geschlechts, der Herkunft, der Religion, der Ansichten oder sonstiger persönlicher oder sozialer Umstände“ (Artikel 6 Abs. 1).
Im Februar 2019 verabschiedete der Generalrat von Andorra (das Parlament des Landes) ein Gleichbehandlungs- und Antidiskriminierungsgesetz,[3] welches Diskriminierungen aufgrund der Geburt, der Nationalität oder Staatenlosigkeit, der Ethnie oder Herkunft, des biologischen oder sozialen Geschlechts, der Religion, der religiösen oder philosophischen Überzeugungen, der politischen oder gewerkschaftlichen Ansichten, der Sprache, des Alters, einer Behinderung, der sexuellen Orientierung, Geschlechteridentität oder der sonstigen persönlichen oder sozialen Umstände untersagt (Artikel 4 Abs. 2). Zudem wurden durch dieses Gesetz das Office of the Ombudsman (Amt des Ombudsmannes [Artikel 28]) und das Equality Observatory (Beobachtungsstelle zur Gewährleistung der Gleichstellung [Artikel 29]) geschaffen. Es wurden darüber hinaus auch Strafen für Fälle von Missachtungen der neu geschaffenen Bestimmungen eingeführt (Artikel 40).
Auch wenn nur die Römisch-Katholische Kirche als Religionsgemeinschaft in Andorra rechtlich anerkannt ist, können sich andere Glaubensgemeinschaften als kulturelle Organisationen laut Vereinsrecht registrieren lassen.[4] Diese Registrierung ist erforderlich, um Gotteshäuser errichten und staatliche Zuschüsse in Anspruch nehmen zu können.[5]
Aufgrund ihres Rechtsstatus genießt die Katholische Kirche eine Vielzahl an Privilegien, die für andere Glaubensgemeinschaften nicht gelten. So werden zum Beispiel die Gehälter ausländischer katholischer Priester vom Staat finanziert, wenn sie in Pfarreien des Landes tätig sind. Dagegen erhalten ausländische Geistliche nichtkatholischer Glaubensgruppen keine Arbeitserlaubnis als Kirchenmitarbeiter, sondern haben in der Regel nur eine allgemeine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für ihre Tätigkeit unter einem anderen Einwanderungsstatus.[6]
In Andorra gibt es keine Moscheen, doch verfügt die muslimische Religionsgemeinschaft über zwei Gebetsräume. Die jüdische Gemeinschaft hat eine kleine Synagoge und ein Gemeindezentrum.[7]
In dem 2024 veröffentlichten Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI, ein Instrument des Europarates) wird Andorra empfohlen, jüdische und muslimische Friedhöfe einzurichten, Minderheitsreligionen einen Sonderstatus einzuräumen, die Gesetzeslage zur Gründung religiöser Vereine zu überarbeiten und die Verfügbarkeit ausreichender Gebetsräume für Muslime sicherzustellen.[8] Ausgehend von diesen Empfehlungen wurde für 2025 oder 2026 die Eröffnung eines Friedhofs für Verstorbene verschiedener Konfessionen angekündigt.[9]
Anfang April 2022 wurde eine Änderung des nationalen Bildungsgesetzes einstimmig angenommen (Gesetz 10/2022). Diese untersagt sowohl Schulangestellten als auch Schülern das sichtbare Tragen von „religiösen Symbolen und Zeichen“ in Schulen. Das Gesetz enthält zudem eine Bestimmung, der zufolge Schüler die Möglichkeit haben, ein säkulares Fach anstelle des katholischen Religionsunterrichts zu wählen.[10]
Vorfälle und aktuelle Entwicklungen
Im Berichtszeitraum wurden keine Verletzungen der Religionsfreiheit in Andorra gemeldet.
Nach aktuellem Stand können jüdische und muslimische Gemeinschaften zwar bestehende Friedhöfe nutzen, allerdings gibt es dort keinen abgetrennten Bereich für sie. Deshalb entschieden sich die meisten Gläubigen dieser Gemeinschaften dazu, ihre verstorbenen Angehörigen außerhalb des Landes beerdigen zu lassen.[11] Im Juni 2023 gab die Regierung bekannt, ein geeignetes Grundstück für die Errichtung eines Friedhofs für Verstorbene verschiedener Konfessionen gefunden zu haben. Zum Jahresende hin haben die Planungen dafür bereits begonnen.[12]
Mitglieder der muslimischen Gemeinschaft haben sich darüber beschwert, dass religiöse Kopfbedeckungen für Fotos auf offiziellen Dokumenten abgenommen werden müssen.[13]
Andorra beteiligt sich regelmäßig an der jährlichen „Umfrage zu Hasskriminalität“ der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Die zuletzt gemeldeten Angaben beziehen sich auf das Jahr 2023. Darin wurden sieben Hassdelikte erfasst, von denen keines im Zusammenhang mit Religion oder Glaube stand.[14]
Im April 2022 hatte das Verbot von religiösen Symbolen in der Schule, das infolge der Änderung des Bildungsgesetzes besteht, direkte Auswirkungen auf eine 11‑jährige Schülerin. Dem Mädchen wurde untersagt, einen Hidschab in der Schule zu tragen. Das Verfassungsgericht hatte im Vorfeld ein Verbot dieser Symbole an Schulen als verfassungswidrig erklärt. Ebenso ging das Verfassungsgericht davon aus, dass das Mädchen den Hidschab aus freien Stücken trug.[15] Der Staat kam dem Mädchen durch die Erlaubnis an der Teilnahme am Fernunterricht entgegen. Ihre Brüder hingegen müssen weiterhin am Unterricht vor Ort in der Schule teilnehmen.[16] Im November und Dezember 2023 stand die Familie nach Missbrauchsvorwürfen gegen den Vater vor einem Sorgerechtsverfahren um die Zwillingsbrüder. Die Mutter erhob in den örtlichen Medien den Vorwurf, dass ihre Zwillingssöhne während der Betreuung durch das Jugendamt gezwungen worden waren, Schweinefleisch zu essen. Sie äußerte zudem, dass sowohl die beiden Brüder als auch deren Schwester aufgrund ihres muslimischen Glaubens islamfeindlichem Verhalten ausgesetzt waren.[17]
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Andorra ist als Kleinstaat und seine geographische Lage zwischen Spanien und Frankreich ein einzigartiges Land. Der Anteil der Minderheitsreligionen, wie Judentum und Islam, an der Gesamtbevölkerung ist ausgesprochen klein. Seit dem letzten Bericht gab es – mit Ausnahme des oben genannten Vorfalls – keine Fälle von signifikanter Missachtung der Religionsfreiheit im Land. Tatsächlich wurden durch die Regierung förderliche Maßnahmen eingeleitet, die es den jüdischen und muslimischen Gemeinschaften ermöglichen werden, ihre Verstorbenen auf einem eigens für sie abgetrennten Friedhof zu beerdigen. Die Aussichten für die Religionsfreiheit in Andorra sind weiterhin sehr positiv.
Quellen