Globale analyse
Marta Petrosillo
Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht, das in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschrieben ist. Wenn dieses Recht auch nur einem Menschen vorenthalten wird, wird es potenziell allen vorenthalten. Das ist ein wesentlicher Grundsatz, auf den sich die Gemeinschaft der Menschen geeinigt hat. Doch wie der vorliegende Bericht zeigt, ist die Religionsfreiheit oftmals eher ein Luxus als ein verbrieftes Recht.
Der Zeitraum von 2023 bis 2024 war von einer Verschärfung der weltweiten Unruhen gekennzeichnet – geopolitische Konflikte, autoritäre Regime auf dem Vormarsch, zunehmende Ungleichheit und die allmähliche Aushöhlung demokratischer Normen. Der Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel im Oktober 2023 löste im gesamten Nahen Osten eine neue Welle der Gewalt aus, mit erheblichen Auswirkungen auf die internationalen diplomatischen Beziehungen und die Machtdynamik innerhalb der Region. Gleichzeitig gab es keine Anzeichen für eine Beendigung des Krieges in der Ukraine, der die Ost-West-Beziehungen enorm belastet und die weltweite Energie- und Ernährungskrise weiter verschärft. Eine Reihe von Militärputschen in Verbindung mit dem Abzug internationaler Friedenstruppen aus Ländern wie Mali und der Zentralafrikanischen Republik begünstigte im gesamten Sahel und darüber hinaus die weitere Ausbreitung dschihadistischer Gewalt. Unterdessen verschärfen die zunehmenden Spannungen im indopazifischen Raum, insbesondere um Taiwan und das Südchinesische Meer, die strategische Rivalität zwischen den Vereinigten Staaten und China.
Die Religionsfreiheit blieb von diesen Entwicklungen nicht unberührt. Ob in Ballungszentren oder in schwach besiedelten Landstrichen, auf allen Kontinenten sind Gläubige und Gemeinden nach wie vor Bedrohungen ausgesetzt, weil sie sich zu einem bestimmten Glauben bekennen oder diesen praktizieren, oder auch nur, weil sie sich mit einer bestimmten Glaubensrichtung identifizieren.
In der vorliegenden Ausgabe 2025 des Berichts Religionsfreiheit weltweit untersuchen wir die komplexen Zusammenhänge, die dazu führen, dass das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit in vielschichtiger Weise bedroht ist. Die Länder werden je nach Schwere der Verstöße gegen die Religionsfreiheit in vier Kategorien eingeteilt. In die Kategorie „Verfolgung“ fallen schwerwiegende, wiederholte Gewalttaten oder Bedrohungen, wobei die Täter oftmals ungestraft davon kommen. In der Kategorie „Diskriminierung“ wurden Fälle erfasst, in denen einzelne Glaubensgemeinschaften durch rechtliche oder soziale Einschränkungen benachteiligt werden. In der Kategorie „Unter Beobachtung“ sind Länder aufgeführt, in denen es erste Anzeichen für schwerwiegende Verstöße gibt, die eine genaue Beobachtung erfordern. In den übrigen Ländern wurden keine wesentlichen Verstöße festgestellt. Hier wurden die internationalen Normen für Religions- und Glaubensfreiheit im Allgemeinen respektiert.
Die in dieser Ausgabe vorgenommenen Einstufungen verdeutlichen den Ernst der Lage:
- In 24 Ländern leiden Gläubige unter Verfolgung, Bedrängnis oder gewaltsamer Unterdrückung.
- In 38 Ländern leiden Gläubige unter Diskriminierung, wobei gesetzlicher und sozialer Druck die Glaubensausübung einschränkt.
- 24 Länder stehen unter Beobachtung, weil dort erste Anzeichen für eine Bedrohung der Religionsfreiheit erkennbar sind.
In insgesamt 62 Ländern werden Gläubige aus religiösen Gründen verfolgt oder diskriminiert. In diesen Ländern leben annähernd 5,4 Milliarden Menschen, etwa 64,7 % der Weltbevölkerung. Das bedeutet, dass fast zwei Drittel der Menschen weltweit in Ländern leben, in denen die Religionsfreiheit stark eingeschränkt ist.
Verfolgung
In 24 Ländern leiden Gläubige unter religiöser Verfolgung. Dazu zählen auch bevölkerungsreiche Nationen wie Indien und China und konfliktbelastete oder autoritäre Staaten wie Afghanistan, Nigeria, Nordkorea und Eritrea. In diesen Ländern leben insgesamt rund 4,1 Milliarden Menschen. Damit ist mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung potenziell von schwerwiegenden Verstößen gegen die Religionsfreiheit betroffen.
Die Art der Verfolgung unterscheidet sich je nach Kontext. In acht Ländern – Afghanistan, Bangladesch, Libyen, Malediven, Nigeria, Pakistan, Sudan und Jemen – ist sie auf autoritäre Machtstrukturen in Verbindung mit religiösem Extremismus zurückzuführen. In sieben Ländern – China, Eritrea, Iran, Nicaragua, Nordkorea, Saudi-Arabien und Turkmenistan – ist sie in erster Linie durch autoritäre staatliche Kontrolle bedingt. Weitere sieben Länder – Burkina Faso, Kamerun, Mali, Niger, Somalia, Mosambik und die Demokratische Republik Kongo – sind hauptsächlich von religiösem Extremismus betroffen. In Indien und Myanmar sind die vorherrschenden Formen der Verfolgung auf eine Kombination aus Autoritarismus und ethnisch-religiösem Nationalismus zurückzuführen.
Diskriminierung
Im Bericht 2025 werden 38 Länder genannt, in denen Menschen aufgrund ihres Glaubens diskriminiert werden. Dazu gehören unter anderem Ägypten, Äthiopien, Mexiko, Türkei und Vietnam, wo die Religionsfreiheit und die Glaubensausübung religiöser Minderheiten durch rechtliche, politische oder soziale Faktoren eingeschränkt werden. In diesen Ländern leben insgesamt annähernd 1,3 Milliarden Menschen, rund 17,3 % der Weltbevölkerung. Hier werden Gläubige nicht direkt verfolgt, sondern systematisch diskriminiert. Zum Beispiel wird ihnen der Zugang zu ihren Gebetsstätten verwehrt oder sie dürfen ihren Glauben nicht öffentlich bekunden oder sie werden rechtlich nicht so wie Anhänger anderer Glaubensrichtungen behandelt.
Für Diskriminierung gibt es verschiedene Ursachen. Aber in 28 Ländern ist jeweils ein zentraler Faktor vorherrschend. Am häufigsten wird die religiöse Vielfalt durch Autoritarismus eingeschränkt. Davon sind 24 Länder betroffen, unter anderem Algerien, Malaysia, Venezuela und Türkei. Im Tschad ist die Diskriminierung auf religiösen Extremismus zurückzuführen, während sie in Haiti und Mexiko mit der organisierten Kriminalität zusammenhängt. Ethnisch-religiöser Nationalismus ist in Nepal der wichtigste Faktor.
In 10 weiteren Ländern sind Kombinationen aus mehreren Faktoren festzustellen. Mexiko hat sowohl mit Autoritarismus als auch mit organisierter Kriminalität zu kämpfen. In Ägypten, Jordanien, Irak, Kuwait, Oman, Syrien und Thailand liegt eine Mischung aus autoritärer Regierung und religiösem Extremismus vor. In Israel und Palästina wird die Religionsfreiheit von ethnisch-religiösem Nationalismus in Verbindung mit Extremismus untergraben. In Sri Lanka ist die Diskriminierung auf Autoritarismus und auf ethnisch-religiösen Nationalismus zurückzuführen.
Unter Beobachtung
24 Länder wurden in die Kategorie „Unter Beobachtung“ eingestuft, weil dort Anzeichen für eine Bedrohung der Religionsfreiheit festgestellt wurden. Dazu gehören Chile, Indonesien, Kenia und Weißrussland. In allen Ländern zusammen leben mehr als 750 Millionen Menschen, etwa 9.3 % der Weltbevölkerung. Zu den ersten Warnsignalen zählen zunehmender Autoritarismus, eine Aufweichung der rechtlichen Rahmenbedingungen oder eine sich ausweitende religiöse Intoleranz. Die betroffenen Länder sollten genau beobachtet werden, und möglicherweise sollten vorbeugende Maßnahmen getroffen werden. Als Beispiel sind Mexiko, Russland und die Ukraine genannt, die 2023 auf der Beobachtungsliste standen und aktuell in die Kategorie „Diskriminierung“ eingestuft sind. Diese Länder stehen für den sich verschärften Abwärtstrend, was Verstöße gegen die Religionsfreiheit anbelangt.
Autoritäre Kontrolle und rechtliche Beschränkungen
Ein auffälliges regionales Muster zeigt sich in Lateinamerika, wo viele der Länder, die aktuell unter Diskriminierung oder Verfolgung eingestuft sind, wie Kuba, Haiti, Mexiko, Nicaragua und Venezuela, oder auf der Beobachtungsliste stehen, wie Bolivien, Chile, Kolumbien und Honduras, politisch oder ideologisch dem São Paulo Forum nahestehen. Dieses transnationale Bündnis linker Parteien und Bewegungen wird immer wieder mit autoritären Tendenzen sowie mit der Einschränkung der bürgerlichen Freiheitsrechte und der ideologischen Kontrolle öffentlicher Einrichtungen in Verbindung gebracht. In Kontexten dieser Art wird die Religionsfreiheit häufig untergraben, d. h. Religion wird politisiert, regierungskritische Kirchen werden unter Druck gesetzt, der Handlungsspielraum von religiösen Organisationen, die sich für Bildung, Sozialwesen und Menschenrechte engagieren, wird eingeschränkt. Alles deutet darauf hin, dass die Aufweichung demokratischer Schutzmechanismen und die neue ideologische Härte in der gesamten Region zur Gefährdung der Religionsfreiheit beitragen könnten (siehe Themenschwerpunkt Das kubanische Modell und seine Varianten in Venezuela und Nicaragua).
Auch in anderen Regionen setzen Regierungen weiterhin auf Gesetze und Bürokratie, um Glaubensgemeinschaften zu kontrollieren oder zu unterdrücken. In Asien hat China sein Sinisierungsprogramm weiter ausgebaut, das muslimische Uiguren und christliche Gemeinden der ideologischen Konformität unterwirft. So verlangen neue Vorschriften aus dem Jahr 2024, dass sich alle religiösen Versammlungsorte ausdrücklich an sozialistischen Werten orientieren. Tibetische und muslimische Gemeinden müssen die Umbenennung von Dörfern sowie Festnahmen und die Zerstörung von Gebetsstätten erdulden. Besonders besorgniserregend sind Gesetze, die den Religionsunterricht für Minderjährige verbieten und deren Teilnahme an Gottesdiensten einschränken (siehe Fallstudie China: Religiöse Erziehung von Minderjährigen gesetzlich verboten). In Nordkorea ist jede Form von religiöser Äußerung weiterhin streng verboten. In Vietnam und Laos werden christliche Minderheiten gezwungen, ihrem Glauben abzuschwören. Kirchen werden zerstört, Geistliche ermordet. Rechtlichen Schutz gibt es nicht. Betroffen sind vor allem indigene Gemeinschaften. In Iran und Turkmenistan stehen Glaubensgemeinschaften unter ständiger staatlicher Überwachung. Anhänger und Geistliche nicht registrierter Gemeinschaften laufen Gefahr, festgenommen oder schikaniert zu werden. Auch müssen sie ständig mit der Schließung ihrer Einrichtungen rechnen.
Neue und variierende Formen des Terrorismus
Religiöser Extremismus ist nach wie vor weltweit eine der Hauptursachen für Verfolgung. In den vergangenen Jahren haben dschihadistische Bewegungen ihren Aktionsradius vergrößert und ihre Strategien an lokale Gegebenheiten und Missstände angepasst. Die Epizentren dschihadistischer Aktivitäten sind weiterhin Afrika und der Nahe Osten. Zugleich gibt es insbesondere nach der Rückkehr der Taliban in Afghanistan in Asien beunruhigende Entwicklungen. Dschihadistische Gruppen passen sich zunehmend an lokale Gegebenheiten an, wobei innerhalb der Strukturen neben zentral koordinierten Aspekten eine gewisse regionale Autonomie herrscht, wie im Falle der Terrororganisation Islamischer Staat zu beobachten ist (siehe Themenschwerpunkt Wie sich der Dschihadismus weiterentwickelt). Andere Gruppen nutzen Krisen zur Mobilmachung, wie 2023 im Konflikt zwischen Israel und der Hamas. Anfang 2025 warnte die US-Organisation Institute for the Study of War (ISW) vor dem Wiederaufleben des IS in Syrien, wo es nach dem Sturz des Assad-Regimes zu einem Machtvakuum kam und die Prioritäten bei der Terrorbekämpfung verschoben wurden. In den westlichen Ländern geht die Bedrohung im Wesentlichen von dezentralen Netzwerken und Einzeltätern aus.
Religionsfreiheit fällt Kriegen zum Opfer
In vielen Regionen, die von bewaffneten Konflikten betroffen sind, – wie Sahel, Syrien, Myanmar oder die Ukraine – sind Glaubensgemeinschaften oft Opfer gezielter Gewalt. Terrorgruppen wie Boko Haram, IS-Ableger und Al-Shabaab benutzen die Religion weiterhin als Vorwand für Gewalt, insbesondere gegen Christen und gegen Muslime, die extremistische Ideologien ablehnen. In den betroffenen Gebieten gehen Verstöße gegen die Religionsfreiheit mit weiteren Menschenrechtsverletzungen, Vertreibung und dem Zusammenbruch staatlicher Strukturen einher.
In Konfliktgebieten zeigt sich, wie anfällig das Recht auf Religionsfreiheit ist. Im Sahel haben Terrorgruppen wie IS-Ableger und Al‑Qaida ihre Angriffe auf Anhänger aller Glaubensrichtungen verstärkt. In Burkina Faso, Nigeria, Niger und Mali führen gewaltsame Überfälle zur Entwurzelung ganzer Gemeinden, zu Massenvertreibungen und zur Zerstörung von Gebetsstätten (siehe Themenschwerpunkt Auf der Flucht vor religiös motivierter Verfolgung und Diskriminierung und Fallstudie Rollo, Burkina Faso – Wie eine christliche Gemeinde vertrieben wurde). Nigeria erlebt vor allem im Norden und im Middle Belt einen massiven Anstieg der religiös motivierten Gewalt. Bewaffnete Gruppen wie Boko Haram, ISWAP und radikalisierte Fulani-Hirten greifen Dörfer, Kirchen, Gemeinden und Geistliche an, vertreiben die Bewohner und nehmen ihr Land in Besitz (siehe Hintergrundinformation Fulani und Dschihadismus in Afrika: Zwischen Vermächtnis und Manipulation). Am Horn von Afrika löste der Krieg in Sudan eine der größten Flüchtlingskrisen der Geschichte aus. Berichten zufolge werden Gebetsstätten für Kampfzwecke genutzt, Geistliche festgehalten und Zwangskonvertierungen durchgeführt. In Somalia ist der Abfall vom Glauben ein Vergehen, das mit der Todesstrafe geahndet wird. Und inmitten der ethnischen Konflikte in Äthiopien werden religiöse Kultstätten zerstört, und Geistliche müssen untertauchen.
Im Konflikt zwischen Israel und der Hamas wurde die religiöse Infrastruktur in Gaza vollständig zerstört. In Israel vertiefen sich die Risse in der Gesellschaft. Beiden Seiten werden Kriegsverbrechen vorgeworfen. Der religiöse Tourismus, der für das christliche Leben in der Region wichtig ist, kam zum Erliegen. Die Spannungen zwischen Juden und Muslimen werden durch aufwiegelnde nationalistische Rhetorik und religiöse Symbolik verschärft.
Der Krieg in der Ukraine führt auf beiden Seiten zu schwerwiegenden Verstößen gegen die Religionsfreiheit: Russland unterdrückt pro-ukrainische Gruppen, die Ukraine nimmt Moskau-nahe Kirchen ins Visier, und in beiden Ländern werden Menschen, die aus Gewissensgründen den Kriegsdienst verweigern, bestraft. In Aserbaidschan mussten nach der Einnahme von Bergkarabach 2023 120.000 armenische Christen ihre Heimat verlassen, und das christliche Erbe in der Region wurde weitgehend zerstört.
Organisierte Kriminalität: Glaube und Waffengewalt
Dort, wo staatliche Strukturen schwach sind, kontrollieren mitunter kriminelle Banden das religiöse Leben. In zahlreichen instabilen Regionen Lateinamerikas werden Kirchen geplündert, Geistliche entführt, Gottesdienste von Drogenkartellen geplant oder vermittelt. In Haiti, das als gescheiterter Staat gilt, sind Priester und Ordensfrauen das Hauptziel von Entführern, die Lösegeld erpressen wollen. In Gebieten, in denen Gesetzlosigkeit herrscht, werden Kirchen zu Zufluchtsstätten. In Mexiko werden immer mehr Priester ermordet (siehe Fallstudie Kirche im Kugelhagel). In Ecuador und Guatemala ist das religiöse Leben eng mit der Bandenkriminalität verstrickt.
Ähnlich ist es in Teilen von Subsahara-Afrika. In Burkina Faso, Nigeria und der Demokratischen Republik Kongo sind Geistliche und Glaubensgemeinschaften tödlicher Gewalt ausgesetzt, die von kriminellen Banden und Milizen ausgeht.
Eine Nation, ein Glaube? Religion als ein Merkmal nationaler Identität
In mehreren Ländern wird die Religion zunehmend zu einem Merkmal der nationalen Identität. In der Folge werden Minderheiten ausgegrenzt und marginalisiert. Indien ist ein Beispiel für „hybride Verfolgung“, die sich in einer Verbindung aus staatlicher Unterdrückung und gewalttätigen Mobs äußert. Die hinduistisch-nationalistische Politik der Bharatiya Janata Party (BJP) untergräbt nach und nach das von der Verfassung eingeräumte Recht auf Religionsfreiheit. Allein im Jahr 2024 wurden 834 Angriffe gegen Christen gezählt. Ein Gesetz zur Regulierung ausländischer Zuwendungen setzt in Indien tätige Nichtregierungsorganisationen unter Druck, und die Zahl der Festnahmen wegen Verstößen gegen die Anti-Konversionsgesetze stieg deutlich an (siehe Fallstudie Anti-Konversionsgesetze in Indien).
Auch in Nepal führen Anti-Konversionsbestrebungen dazu, dass Geistliche schikaniert und wegen Missionierens festgenommen werden. In Myanmar sind politische Unterdrückung, ethnische Identität und Glaubenszugehörigkeit eng miteinander verstrickt. Die im Staat herrschende ethnische Volksgruppe der Bamar, deren Angehörige überwiegend Buddhisten sind, stellt sich als Verteidiger der nationalen Einheit dar, während ethnische und religiöse Minderheiten systematisch unterdrückt und häufig als Separatisten betrachtet werden. Diese Dynamik schafft eine Spirale des Misstrauens, der Marginalisierung und der Gewalt, die die birmanische Gesellschaft spaltet. (Siehe Hintergrundinformation Myanmar im Spannungsdreieck zwischen Politik, Ethnie und Religion)
In mehreren mehrheitlich muslimischen Ländern wird die Religionsfreiheit aufgrund der engen Auslegung und Durchsetzung des islamischen Rechts nach wie vor rigoros eingeschränkt. Dort, wo die Anwendung der Scharia zur Marginalisierung religiöser Minderheiten führt, werden die Grundrechte massiv eingeschränkt. Im Iran werden Christen festgenommen, weil sie an Gemeindeversammlungen in Privaträumen teilnehmen. In Pakistan führen Blasphemievorwürfe, die sich häufig gegen Nichtmuslime richten, zu gewaltsamen Ausschreitungen und Strafverfolgung. In Afghanistan steht auf Apostasie immer noch die Todesstrafe (siehe Hintergrundinformation Gesetz, Macht und Praxis in der muslimischen Welt: Die vielen Gesichter der Scharia).
Besonders gefährdet: Weibliche Angehörige religiöser Minderheiten
Frauen, die religiösen Minderheiten angehören, sind besonders gefährdet – wegen ihres Glaubens und wegen ihres Geschlechts. In Pakistan nehmen Entführungen, Zwangskonvertierungen und Zwangsverheiratungen von Hindu- und christlichen Mädchen ein erschreckendes Ausmaß an. Im Januar 2023 forderten UN-Experten die pakistanische Regierung auf, gegen diese Praktiken vorzugehen, und wiesen auf die schwerwiegenden Auswirkungen auf die Religionsfreiheit und auf die Rechte von Kindern hin. Die Missstände wurden bisher nicht beseitigt. Im Jahr 2025 wurden die 12-jährige Ariha Gulzar und die 10-jährige Laiba Suhail entführt und mittels gefälschter Dokumente zwangsverheiratet. Ihre Familien wurden immer wieder bedroht. Anhaltender behördlicher Druck führte schließlich zu Festnahmen.
In Ägypten ist die Zahl der verschwundenen Mädchen christlichen Glaubens deutlich angestiegen. Die Familien berichten von Entführungen, Zwangskonvertierungen und traditionellen Eheschließungen. Mehr als 30 Fälle dieser Art wurden 2024 dokumentiert, was auf einen äußerst beunruhigenden Trend hindeutet.
Widerstreitende Freiheiten: Religion im Zeitalter der ideologischen Konformität
In der Rechtsprechung und Politik einiger demokratischer Länder gerät die Religionsfreiheit zunehmend in ein Spannungsverhältnis mit anderen Grundrechten oder vermeintlichen Rechten. Besonders deutlich wird diese Dynamik in westlichen und lateinamerikanischen Kontexten, wo säkulare Ideologien oft auf traditionelle religiöse Normen stoßen. Der Bericht 2024 der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (IACHR) wurde kritisiert, weil er potenzielle Konflikte zwischen Religionsfreiheit und Antidiskriminierungsgesetzen thematisiert.
Selbst in Gesellschaften mit unumstößlichen verfassungsmäßigen Garantien – wie in den OSZE-Staaten – gerät das Recht auf Gewissensfreiheit zunehmend unter Druck, besonders im Zusammenhang mit der Verweigerung des Militärdienstes und der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen (siehe Fallstudie Ein gefährdetes Recht: Wenn Mediziner sich auf ihre Gewissensfreiheit berufen). Rechtsvorschriften und kulturelle Erwartungen stellen immer häufiger tatsächliche oder vermeintliche Rechte über die Religionsfreiheit.
In mehreren Regionen hat die Feindseligkeit gegenüber der Religion zugenommen: In Kanada wurden katholische Kirchen Ziel von Brandanschlägen, in Spanien, Griechenland und Kroatien gerieten religiöse Symbole und Prozessionen ins Visier ideologischer Aktivisten und in Belgien wurden Geistliche bestraft, weil sie es ablehnten, Frauen zu ordinieren. Europaweit kam es infolge des Gaza-Konflikts zu einer Welle hassmotivierter Angriffe auf Juden und Muslime. Die Angriffe gegen Christen setzten sich fort.
In den westlichen OSZE-Ländern werden Anfeindungen gegen Christen nicht hinreichend dokumentiert und öffentlich gemacht. Das bedeutet auch, dass die Politik keinen Anlass zum Handeln sieht, Feindseligkeiten zum Alltag werden, die Ungleichbehandlung gefördert wird und christliche Gemeinden verwundbarer werden (siehe Hintergrundinformation „Höfliche Verfolgung“ durch Unterlassung).
Es gibt jedoch bemerkenswerte Ausnahmen. Gerichte in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten haben in wegweisenden Fällen, in denen es um Meinungsfreiheit und Kündigungsschutz ging, das Recht auf Religionsfreiheit bestätigt. Damit haben sie unter Beweis gestellt, dass die Religionsfreiheit in demokratischen Systemen immer noch hinreichend geschützt ist, wenn die Unabhängigkeit der Justiz gewahrt bleibt.
Jenseits des Bildschirms: Digitale Verfolgung und die Zukunft der Religionsfreiheit
Die digitale Welt hat leistungsfähige Technologien hervorgebracht, die sich bestens für die Unterdrückung von Minderheiten eignen. In vielen Ländern werden religiöse Inhalte im Internet zensiert, und Menschen werden wegen Posts in den sozialen Medien festgenommen. Autoritäre Regime setzen Überwachungstechnik ein, um religiöse Äußerungen herauszufiltern und Angehörige von Minderheiten als Extremisten abzustempeln. In China und Russland werden kritische Äußerungen im Internet herausgefiltert und bestraft, während religiöse Plattformen gesperrt werden. Extremistische Gruppen nutzen digitale Plattformen, um zu Gewalt aufzurufen und Propaganda zu verbreiten. Soziale Medien werden eingesetzt, um Minderheiten zum Schweigen zu bringen, Hass zu schüren und zu polarisieren. In Pakistan stehen Blasphemievorwürfe, die oftmals unbegründet sind, zunehmend mit Online-Posts in Verbindung. Organisierte Netzwerke verfolgen digitale Aktivitäten, fordern staatliches Eingreifen oder stacheln zu Gewalt an. In einem Bericht des Ministeriums für Religiöse Angelegenheiten aus dem Jahr 2023, der sich auf Daten der pakistanischen Bundespolizei FIA stützt, wurden mehr als 400.000 Beschwerden erfasst. Das verdeutlicht, wie digitale Überwachung und religiöse Unterdrückung zusammenhängen.
Systeme, die Künstliche Intelligenz (KI) einsetzen, besitzen ein enormes und zutiefst besorgniserregendes Potenzial, wenn es um die Manipulation und Unterdrückung von Gläubigen geht. Berichten zufolge verwenden die Behörden in Nordkorea ein Überwachungssystem, das von jedem Telefon alle fünf Minuten einen Screenshot macht und die Bilder zum Zwecke der staatlichen Überwachung speichert. Die immensen Fähigkeiten der KI muss der Mensch nach sinnvollen und ethischen Kriterien überwachen, so dass bei ihrem Einsatz die Menschenwürde und das Recht auf Gedanken- Gewissens- und Religionsfreiheit in all ihren Facetten gewahrt bleiben (siehe Hintergrundinformation Zeitenwende: Religionsfreiheit im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz).
Funken der Hoffnung: Einsatz für die Religionsfreiheit
Trotz vielfältiger Bedrohungen spielen Glaubensgemeinschaften nach wie vor eine wichtige Rolle, wenn es um die Förderung von Frieden und Dialog sowie um den Schutz der Menschenwürde geht. Religiöse Organisationen leisten humanitäre Hilfe, setzen sich für die Menschenrechte ein und unterstützen Flüchtlinge und Vertriebene. In konfliktbelasteten Regionen des Nahen Ostens, Afrikas, Asiens und Lateinamerikas leisten Geistliche Seelsorge und praktische Hilfe. In der mosambikanischen Provinz Cabo Delgado ist die Kirche inmitten der dschihadistischen Gewalt ein zentraler Akteur der humanitären Hilfe und des interreligiösen Dialogs (siehe Fallstudie Die Aktivitäten der Kirche in Cabo Delgado). In Ländern wie Burkina Faso fördern lokale Initiativen trotz der Bedrohung durch Extremisten den interreligiösen Dialog (siehe Fallstudie Burkina Faso: Das Frieden stiftende Fußballspiel).
Auch die Bildung ist für diese Bemühungen von zentraler Bedeutung, indem sie den sozialen Zusammenhalt stärkt, die Menschenwürde in den Mittelpunkt stellt und die kulturelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Handlungsfähigkeit von Minderheiten sicherstellt (siehe Hintergrundinformation Erziehung zur Freiheit: Toleranz lehren, Minderheiten stärken).
Schließlich war Papst Franziskus eine der weltweit wichtigsten Stimmen, die sich für Dialog und Religionsfreiheit eingesetzt haben (siehe Hintergrundinformation Papst Franziskus und die Religionsfreiheit: Ein Recht auf Frieden).
Damit aus diesen Zeichen der Hoffnung ein dauerhafter Wandel hervorgeht, bedarf es eines nachhaltigen gemeinschaftlichen Engagements. Die Verteidigung und Förderung der Religionsfreiheit kann nicht allein auf den Schultern von Geistlichen oder zivilgesellschaftlichen Aktivisten lasten. Regierungen, Institutionen, Bildungseinrichtungen und Einzelpersonen müssen sich genauso einbringen. Für die Religionsfreiheit sind alle gemeinsam verantwortlich. Wir müssen alle unsere Stimme erheben und den auf der ganzen Welt dringend notwendigen Schutz der Religions- und Gewissensfreiheit fordern, die in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 verankert ist. Die Religionsfreiheit muss für alle gewährleistet sein. Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht, kein Privileg.