

Zusammenfassung der Ergebnisse 2025
Frühere Berichte
Video-Wiedergabeliste
Methodisches Vorgehen und Definitionen
1. Vorbemerkungen
KIRCHE IN NOT (international: Aid to the Church in Need, ACN) veröffentlicht alle zwei Jahre den Bericht Religionsfreiheit weltweit, der einen Einblick in die aktuelle Lage der Religionsfreiheit in 196 Ländern gibt. Verantwortlich für den Bericht ist der Redaktionsausschuss von ACN. Der Bericht ist das Ergebnis der Recherchen eines Teams von mehr als 40 internationalen Fachleuten, das sich aus Wissenschaftlern, Menschenrechtlern und Journalisten zusammensetzt.
Der Bericht, der erstmals 1999 erschien und inzwischen in sechs Sprachen verfügbar ist, ist die einzige weltweite Studie, die von einer Nichtregierungsorganisation erstellt wird und die Lage der Religionsfreiheit umfassend analysiert. Die wissenschaftlich anspruchsvolle Publikation ist frei zugänglich. Sie soll die Öffentlichkeit auf das Thema Religionsfreiheit aufmerksam machen und Bemühungen um die Durchsetzung dieses Menschenrechts weltweit unterstützen.
Ausgangspunkt der Recherche ist das Recht auf Religionsfreiheit, das in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschrieben ist. In dem Bericht, der sich auf Primär- und Sekundärquellen stützt, werden die rechtlichen Rahmenbedingungen, ihre praktische Umsetzung, dokumentierte Verstöße und die Zukunftsaussichten untersucht.
Verletzungen des Rechts auf Religionsfreiheit werden auf einer Skala eingestuft, die von Intoleranz über Diskriminierung und Verfolgung bis hin zu Genozid reicht. In dem Bericht werden sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Täter benannt. Eine strenge redaktionelle Prüfung gewährleistet ein einheitliches methodisches Vorgehen, sachliche Genauigkeit und Neutralität.
2. Die Autoren
Der Bericht Religionsfreiheit weltweit wird von einem Team von etwa 40 Fachleuten aus verschiedenen Disziplinen und Arbeitsbereichen erstellt.
● Wissenschaftler aus Lehre und Forschung
● Feldforscher und Experten, die zum Teil vor Ort tätig sind
● Journalisten und Reporter
● Juristen und Menschenrechtsanwälte
● Theologen und kirchliche Akteure
● Politische Analysten und ehemalige Diplomaten
Die Vielfalt der Perspektiven gewährleistet einen umfassenden, multidisziplinären Ansatz für die Analyse der Lage der Religionsfreiheit in allen Teilen der Welt.
3. Methodische Quellen und Definitionen
3.1 Quellen
Für die Festlegung der in unserem Bericht verwendeten Definitionen und Parameter haben wir die folgenden Quellen untersucht und genutzt:
● Hohes Kommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte
● UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit
● Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und das OSZE-Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) (Internetquellen unter http://hatecrime.osce.org/what-hate-crime)
● Dr. Marcela Szymanski, Referentin für Menschenrechte und Öffentlichkeitsarbeit
● Dr. Mattia F. Ferrero, der Nationale Ansprechpartner des Heiligen Stuhls bzgl. hassmotivierter Kriminalität bei OSZE/ODIHR
● Dr. Heiner Bielefeldt, Professor an der Universität Erlangen und ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit (Webseiten und persönliche Befragung)
● Leitlinien der EU zur Förderung und zum Schutz der Religions- und Weltanschauungsfreiheit
● UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (1948)
● Beobachtungsstelle für Intoleranz und Diskriminierung von Christen (OIDAC Europe)
● Erklärungen der Ständigen Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in New York und Genf auf: www.vatican.va; https://holyseemission.org; https://nuntiusge.org
Des Weiteren wurden die Berichte der folgenden Organisationen unter besonderer Berücksichtigung des jeweiligen methodischen Vorgehens als Quellen herangezogen:
● OSZE/ODIHR
● US Department of State (US-Außenministerium)
● US Commission for International Religious Freedom, USCIRF (US-Kommission für Internationale Religionsfreiheit)
● Pew Research Center
● Open Doors/Worldwatch List
● Berichte der fraktionsübergreifenden Arbeitsgruppe im Europäischen Parlament zu Religions- und Glaubensfreiheit und religiöser Toleranz
● Human Rights Without Frontiers (www.hrwf.org)
● Forum 18 (www.forum18.org)
● International Institute for Religious Freedom
3.2. Definitionen
a) Religionsfreiheit
Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: „Jeder Mensch hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, die Religion oder Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, die eigene Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen.“ (Quelle: http://www.un.org/en/universal-declaration-human-rights/)
Die Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Weltanschauungsfreiheit ist in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie in Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verankert, der im Lichte der Allgemeinen Bemerkung Nr. 22 des UN-Menschenrechtsausschusses gelesen werden sollte.
Gemäß Völkerrecht hat die Religionsfreiheit drei Komponenten:
a) die Freiheit, eine Religion oder einen Glauben seiner Wahl zu haben bzw. anzunehmen – oder aber überhaupt keinen Glauben zu haben/anzunehmen;
b) die Freiheit, die Religion zu ändern; und
c) die Freiheit, Religion oder Glauben allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat, durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen.
Auch Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Artikel 10 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union schützen das Recht Religionsfreiheit (Quelle: Absatz 10 der EU-Leitlinien zur Förderung und zum Schutz der Religions- und Weltanschauungsfreiheit). Festgeschrieben ist dieses Recht auch in Artikel 12 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention und in Artikel 8 der Afrikanischen Charta für Menschenrechte und Rechte der Völker. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen bekräftigte ihr Bekenntnis zur Religionsfreiheit 1981 mit der Erklärung über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Überzeugung.
b) Grenzen der Religionsfreiheit
Gemäß den Informationen auf den Webseiten des UN-Sonderberichterstatters für Religions- und Weltanschauungsfreiheit (http://www.ohchr.org/EN/Issues/FreedomReligion/Pages/Standards.aspx) werden die Grenzen dieses grundlegenden Freiheitsrechts bestimmt durch:
● die grundlegenden Menschenrechte anderer, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegt sind;
● öffentliches Interesse;
● nachweisliche Bedrohung der öffentlichen Ordnung und Volksgesundheit
Darüber hinaus wird in der Resolution 2005/40 (Absatz 12) der Menschenrechtskommission und in der Resolution 6/37 (Absatz 14) des Menschenrechtsrats erklärt, dass eine Beschränkung der Religionsfreiheit nach internationalen Menschenrechtsnormen zulässig ist, wenn sämtliche der folgenden Kriterien erfüllt sind:
a) die Einschränkung ist durch das Gesetz vorgeschrieben;
b) die Einschränkung dient der Wahrung der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, der Volksgesundheit, der Sittlichkeit oder dem Schutz der grundlegenden Rechte und Freiheiten anderer;
c) die Einschränkung ist für die Erreichung eines dieser Zeile notwendig und verhältnismäßig; und
d) die Einschränkung dient nicht dem Zweck der Diskriminierung und wird nicht auf diskriminierende Weise durchgesetzt.
Das Recht auf Religionsfreiheit kann mit anderen Rechten kollidieren, etwa mit den Rechten nach Artikel 3 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.
Das Recht auf Religionsfreiheit ist also kein „absolutes Recht“, denn es hat Grenzen. Dennoch ist es ein Grundrecht, das unveräußerlich ist und das auch im Notstand nicht aufgehoben werden darf.
Dennoch schränkten fast alle Regierungen der Welt während der Covid-19-Pandemie (2020 – 2023) mehrere grundlegende Rechte wie das Recht auf Bewegungsfreiheit und das Recht auf öffentliche Glaubensbekundung ein, wobei sich schwer beurteilen lässt, ob diese Maßnahmen angemessen und gerechtfertigt waren und warum für Glaubensgemeinschaften zum Teil schärfere Einschränkungen als in anderen öffentlichen Bereichen galten.
Bemerkenswert ist, dass die Gerichte in einigen Ländern die pandemiebedingten Einschränkungen der Religionsfreiheit als unverhältnismäßig, unlogisch oder verfassungswidrig gewertet und aufgehoben haben.
4. Wie entscheiden wir, ob eine Verletzung des Rechts auf Religionsfreiheit vorliegt
.Für die Zwecke dieses Berichts lautet das erste Entscheidungskriterium: Wenn ein Vorfall oder eine Maßnahme durch religiöse Voreingenommenheit motiviert ist, liegt eine Verletzung des Rechts auf Religionsfreiheit vor. Zweitens ist festzustellen, ob der Täter vorsätzlich oder nicht vorsätzlich gehandelt hat. In den meisten Fällen ist es klar, dass der Täter entweder aufgrund seines eigenen Glaubens oder aufgrund des Glaubens des Opfers vorsätzlich gehandelt hat. Die pandemiebedingten Maßnahmen wurden hingegen nicht in der Absicht getroffen, die Religionsfreiheit einzuschränken. Ein anderes Beispiel ist Island, wo das Gesetz zum Verbot der Genitalverstümmelung bei Mädchen aus Gründen der Gleichbehandlung später auf „alle Kinder“ ausgeweitet wurde. Das warf wiederum die Frage auf, ob auch Beschneidungen von Jungen zu verbieten sind, die in einigen Glaubensgemeinschaften praktiziert werden. Hier war es nicht die Absicht der Regierung, das Recht auf Religionsfreiheit bestimmter Glaubensgemeinschaften zu verletzen. Eine umfassendere Liste von grundlegenden Rechten, die mit dem Recht auf Religionsfreiheit kollidieren, finden Sie, indem Sie auf der folgenden Webseite nach unten scrollen: http://www.ohchr.org/EN/Issues/FreedomReligion/Pages/Standards.aspx.
Weitere Erläuterungen zu diesem Thema finden Sie in der Tabelle in Anschluss an diesen Text.
5. Welche Art von Verstößen gegen die Religionsfreiheit wird im Bericht erfasst
Wir stufen die Verstöße gegen die Religionsfreiheit in einem Land in vier Kategorien ein, die sich zum Teil überschneiden und fließend ineinander übergehen. Wir haben uns bemüht, die einzelnen Kategorien so klar wie möglich voneinander abzugrenzen. Dabei kann es zu Abweichungen kommen. Sollten Sie Fragen dazu haben, wenden Sie sich gern an die Redaktion. Am Ende dieses Dokuments finden Sie eine Tabelle mit den Erscheinungsformen der verschiedenen Verstöße, die auf Grundlage der von uns zitierten Quellen zusammengestellt wurde.
„Hassverbrechen“ im Sinne der Definition der OSZE/ODIHR machen einen wesentlichen Teil der Verstöße gegen die Religionsfreiheit aus. Demnach sind Hassverbrechen „Straftaten, die auf Vorurteilen gegen eine bestimmte Gruppe basieren. Hassverbrechen weisen immer die folgenden zwei Elemente auf: ein strafrechtliches Delikt [sowie] eine vorurteilsbasierte Motivation.“ Für die Erfassung in diesem Bericht ist der Umgang der Justizbehörden mit Hassverbrechen (Tätigkeit/Untätigkeit) entscheidend.
Vorfälle von „Hassrede“ werden nicht erfasst, da es dafür auf internationaler Ebene noch keine schlüssige rechtliche Definition gibt und Handlungen dieser Art in den meisten Ländern der Welt nicht als Straftat gelten. Ohne genauere Aussagen treffen zu können, gehen wir davon aus, dass sich dies künftig ändern wird.
In einzelnen Länderberichten kann es zu Ausnahmen kommen, wenn Täter wegen „Hassrede“ verurteilt wurden.
Viele Verstöße gegen die Religionsfreiheit müssen als Straftat oder Gräueltat eingestuft werden. Dabei werden einzelne Straftaten oder Gräueltaten nicht zwangsläufig als Verstoß gegen die Religionsfreiheit erfasst. Die Zahl und Häufigkeit der Straftaten und Gräueltaten dienen als Anhaltspunkt dafür, ob Verletzungen des Rechts auf Religionsfreiheit vorliegen. Ein Beispiel dafür ist der islamistische Terror, der sich in den Ländern südlich der Sahara im Laufe der Jahre drastisch ausgebreitet hat. Das African Center for Strategic Studies hat hierzu vergleichende Karten erstellt: https://africacenter.org/spotlight/sahel-and-somalia-drive-uninterrupted-rise-in-african-militant-islamist-group-violence-over-past-decade/
In unserem Bericht werden die Verstöße gegen die Religionsfreiheit in folgende Kategorien eingeteilt:
a) Intoleranz
b) Diskriminierung
c) Verfolgung
d) Genozid
6. Einordnung
a) Toleranz/Intoleranz. Diese Kategorie reicht von „keinerlei Probleme“ bis hin zu verschiedenen Ausprägungen der Intoleranz, die in gewissem Maße in allen Ländern oder Kulturen vorkommt. Problematisch wird es dann, wenn Intoleranz offen zur Schau gestellt wird und die zuständigen Behörden dem nicht entgegenwirken. Wenn Botschaften, in denen eine bestimmte Gruppe als gefährlich oder gesellschaftsschädigend dargestellt wird, ständig wiederholt und nie in Frage gestellt werden, bildet sich eine „neue Normalität“ heraus. Intoleranz zeigt sich vor allem auf soziokultureIler Ebene – in Vereinen, bei Sportveranstaltungen, in der Nachbarschaft, in Presseartikeln, im politischen Diskurs oder in der Populärkultur, zum Beispiel im Kino und Fernsehen. Häufig kommt es bei Demonstrationen oder Protestmärschen, die sich gegen eine ganz andere Sache richten, entweder spontan oder geplant zu Gewalt, die sich gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe oder ihr Eigentum richtet und der kein Einhalt geboten wird. Das Nichteingreifen der Behörden stellt eine stille Billigung dieser Form von Intoleranz dar. Meinungsbildner wie Eltern, Lehrer, Journalisten, Sportstars und Politiker können zu Multiplikatoren der Botschaften werden.
In diesem Stadium können die Geschädigten jedoch immer noch den Rechtsweg beschreiten. Die Intoleranz ist noch nicht in „Diskriminierung“ übergegangen. Das Grundrecht auf Gleichbehandlung wird weiterhin geachtet. Intoleranz fällt in der Regel nicht unter das Strafrecht. Gewalttaten, die durch Vorurteile motiviert sind, gelten jedoch als Hassverbrechen und sind strafrechtlich relevant. „Hassrede“ hingegen wird nicht in allen Ländern als Straftat behandelt.
Intoleranz ist ein schwer erfassbares Phänomen, das vor allem als allgemeines Klima wahrgenommen wird. Sie schafft ein Umfeld für die Verbreitung von Botschaften, in denen eine bestimmte Gruppe als Gefahr für den Status quo dargestellt wird. Wenn überhaupt, werden die negativen Botschaften von einzelnen Personen oder Meinungsbildnern in Frage gestellt, die dabei häufig mit dem Finger auf „die Medien“ oder die „Kultur“ oder auf bestimmte politische Akteure zeigen. In westlichen Ländern, in denen sich religiöse Intoleranz zumeist in Form von Schmierereien an den Mauern von Gebetsstätten äußerst, ist häufig zu beobachten, dass Hassverbrechen dieser Art strafrechtlich verfolgt werden, die Politik aber schweigt. Das kommt immer häufiger vor und ist höchst problematisch, weil sich ohne das Eingreifen der Politik Intoleranz und Diskriminierung ungehindert ausbreiten können. Wenn also die Betroffenen die Fälle nicht selbst zur Anzeige bringen oder Justiz und Behörden nicht entschlossen dagegen vorgehen, ist der Boden für Schlimmeres bereitet.
Eine andere Form von Intoleranz liegt dann vor, wenn der Aspekt der Religion bewusst außen vorgelassen wird, obwohl er eine positive Rolle spielt. Ein typisches Beispiel sind Medienberichte über Menschen, die oft motiviert durch ihren Glauben, Großes leisten, wobei der religiöse Aspekt in der Berichterstattung bewusst unterschlagen wird. Andererseits wird in der Berichterstattung die Religionszugehörigkeit einer Person genannt, um ein negatives Bild zu zeichnen. Auch der Verzicht auf jegliche positive Darstellung der Religion begünstigt ein Klima der Intoleranz.
b) Diskriminierung. Sie kann sich dort ausbreiten, wo der Intoleranz nicht entgegengewirkt wird. Auf staatlicher Ebene liegt Diskriminierung vor, wenn Gesetze oder Verwaltungsvorschriften nicht für alle gleichermaßen, sondern nur für eine bestimmte Gruppe gelten. Ein deutliches Zeichen für Diskriminierung sind Gesetzesänderungen, durch die Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder sozialen Schicht oder aufgrund bestimmter Merkmale unterschiedlich behandelt werden. Auf zivilrechtlicher Ebene kann Diskriminierung von Arbeitgebern, Vermietern und anderen nichtstaatlichen Akteuren ausgehen. Dabei wird zwischen direkter und indirekter Diskriminierung unterschieden. Direkte Diskriminierung liegt vor, wenn Handlungen sich ganz klar gegen eine Person richten, weil sie einer bestimmten Glaubensrichtung angehört. Indirekte Diskriminierung liegt zum Beispiel vor, wenn Richtlinien, Praktiken und Auswahlkriterien dazu führen, dass Menschen aufgrund ihres Glaubens unverhältnismäßig stark benachteiligt werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Unternehmen ausschließlich Fachkräfte mit einem bestimmten Schulabschluss einstellt, der Anhängern einer bestimmten Glaubensgemeinschaft vorenthalten wird. In einem solchen Fall ist die Regierung, die den Rechtsrahmen vorgibt, für die Diskriminierung verantwortlich. In den westlichen Ländern kommt es zu solchen Verstößen, wenn die ebenfalls durch Artikel 18 geschützte Gewissensfreiheit für bestimmte Berufsgruppen, zum Beispiel für medizinische Berufe, eingeschränkt wird. In diese Kategorie fallen auch Blasphemiegesetze, die eine Glaubensrichtung über alle anderen stellen und die nicht ein Individuum, sondern eine Gruppe schützen. Meistens gehen diskriminierende Rechtsnormen darauf zurück, dass es eine Staatsreligion gibt. Auf nationaler Ebene mag diese Form der Diskriminierung rechtmäßig sein. Völkerrechtlich ist sie aber laut Allgemeiner Erklärung der Menschenrechte, UN-Konventionen, regionalen Abkommen (und OSZE-Verpflichtungen) verboten. Opfer von Diskriminierung können sich, nachdem sie den Rechtsweg auf nationaler Ebene ausgeschöpft haben, an die internationale Gemeinschaft wenden, wenn sie die wiederholten Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot und die wiederholte Weigerung der Behörden, Abhilfe zu schaffen, nachweisen können. Gläubige werden diskriminiert, wenn ihnen der Zugang zu Arbeitsplätzen und öffentlichen Ämtern verweigert wird, wenn ihnen Notfallhilfe verweigert wird, wenn sie keinen Zugang zur Justiz haben oder wenn sie keine Möglichkeit haben, Grundeigentum zu erwerben oder instandzusetzen, in einer bestimmten Wohngegend zu leben oder in der Öffentlichkeit Symbole des Glaubens zu zeigen.
c) Verfolgung. Sie ist nach der Diskriminierung die nächste Stufe, in der es häufiger zu Gewalt und „Hassverbrechen“ kommt. Verfolgung und Hassverbrechen gehen von extremistischen Tätern aus, die nach persönlichen Überzeugungen handeln, wobei sie die religiöse Identität des Opfers kennen oder auch nicht kennen. Verfolgung und Hassverbrechen fallen unter das nationale Strafrecht und/oder das Völkerrecht. Verfolgung und Diskriminierung können gleichzeitig geschehen. Aber es kommt auch vor, dass Gläubige in einem Land zum Beispiel durch Terrorgruppen verfolgt werden, ohne dass sie staatlicherseits diskriminiert werden. Verfolgung äußert sich in aktiven Maßnahmen oder Kampagnen, die darauf abzielen, Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit auszulöschen, zu vertreiben oder zu unterwerfen. Das passiert zum Beispiel in einigen Ländern Afrikas im Rahmen von Landkonflikten zwischen (christlichen) sesshaften Bauern und (muslimischen) Viehhirten. Hier richten die Behörden den Blick auf allgemeine Probleme wie Ressourcenknappheit und Klimawandel und lassen die ethnischen und religiösen Aspekte der Konflikte zumeist außen vor. Gewalthandlungen, die oft durch öffentliche Diskussionen und Gruppendynamik angeheizt werden, können auch von Einzeltätern ausgehen. Verfolgungshandlungen lösen weitere Verfolgungshandlungen aus und müssen nicht systematisch sein oder einer Strategie folgen.
Die Verfolgung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe kann zugleich von staatlichen und von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen. In dieser Phase haben die Betroffenen keine Möglichkeit mehr, sich auf das Rechtssystem zu berufen. Nichtstaatliche Akteure, die Hassverbrechen gegen eine Bevölkerungsgruppe verüben, kommen höchstwahrscheinlich ungestraft davon. Sie handeln in stiller oder ausdrücklicher Übereinkunft mit den Behörden. Die Opfer werden misshandelt, beraubt und mitunter getötet, ohne dass den Tätern strafrechtliche Konsequenzen drohen. Verfolgung kann anhand der Aussagen von Opfern sowie anhand von Medienberichten, Berichten von staatlichen Stellen und Nichtregierungsorganisationen oder von lokalen Verbänden festgestellt und verifiziert werden. Der Prozess wird oftmals durch anhaltende Gewalt behindert und kann Jahre dauern.
Verfolgung geht häufig mit Gewalt einher, sei es Mord, Enteignung, Sachbeschädigung, Diebstahl, Deportation, Vertreibung, Entführung, Zwangskonvertierung, Zwangsheirat oder die Bestrafung wegen Blasphemievorwürfen. Obwohl diese Taten international verurteilt werden, können sie nach nationalem Recht „rechtmäßig“ sein. In extremen Fällen kann Verfolgung in Genozid umschlagen, der daran erkennbar ist, dass eine Bevölkerungsgruppe darauf aus ist, eine andere Gruppe auszulöschen, und dass die Übergriffe häufiger und grausamer werden.
In einem funktionierenden Rechtsstaat (wie in den meisten westlichen Demokratien) wird Verfolgung strafrechtlich als Hassverbrechen behandelt. In vielen anderen Ländern können sich Opfer nicht gerichtlich gegen bestimmte Formen von Hassverbrechen wehren. Besonders schwierig ist es, den Straftatbestand der Verfolgung vor Gericht nachzuweisen. Hassverbrechen werden zumeist von nichtstaatlichen Akteuren verübt. Intoleranz und Diskriminierung, die von staatlichen und von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen können, werden selten im Strafrecht berücksichtigt.
d) Genozid. Dies ist die extremste Form der Verfolgung, bei der nur Instanzen des internationalen Völkerrechts einschreiten können. Laut der am 9. Dezember 1948 verabschiedeten UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes handelt es sich dabei um „Taten, die in der Absicht begangen werden, eine nationale, ethnische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu vernichten“ (http://www.ohchr.org/EN/ProfessionalInterest/Pages/CrimeOfGenocide.aspx). Genozid ist ein weit gefasster Begriff, der folgende Handlungen einschließt:
1. das Töten von Angehörigen einer bestimmten Bevölkerungsgruppe;
2. das Zufügen von schweren körperlichen oder seelischen Schäden bei Angehörigen einer Bevölkerungsgruppe;
3. das vorsätzliche Auferlegen von Lebensbedingungen, die geeignet sind, eine Bevölkerungsgruppe ganz oder teilweise physisch zu vernichten;
4. das Verhängen von Maßnahmen zur Verhinderung von Geburten innerhalb der Gruppe;
5. gewaltsames Überführen von Kindern einer Bevölkerungsgruppe in eine andere Gruppe.
Gemäß der Konvention werden nicht nur die Täter zur Verantwortung gezogen, sondern auch diejenigen, die Taten planen, zur Durchführung anstiften oder unterstützend tätig werden. Nachdem das Europäische Parlament in einer Entschließung vom 4. Februar 2016 die Aktivitäten der Terrororganisation IS als Völkermord gegen Christen und Jesiden eingestuft hat, schlossen sich viele weitere Länder, auch die Vereinigten Staaten dieser Auffassung an. Durch die Schaffung eines Mechanismus, der den sogenannten Islamischen Staat zur Rechenschaft ziehen soll (Resolution 2379), leiteten auch die Vereinten Nationen am 21. September 2017 einen Prozess ein, der klären soll, ob ein Genozid vorliegt. http://www.un.org/en/genocideprevention/genocide.html
Es ist bemerkenswert, mit welchen Mitteln Tyrannen – ob staatliche oder nichtstaatliche Akteure – versuchen, die religiöse Demografie der von ihnen unterworfenen Bevölkerungsgruppe zu kontrollieren und daher häufiger „Maßnahmen“ ergreifen, die unter den 4. Völkermordtatbestand fallen. Die Entführung und sexuelle Versklavung von Frauen und Mädchen, die der unerwünschten Gruppe angehören, ist eine Strategie, die häufiger von denjenigen angewendet wird, deren oberstes Ziel die Ausrottung (Genozid) der betroffenen Gruppe ist.
7. Verantwortliche und Hauptfaktoren für ‚Intoleranz‘, ‚Diskriminierung‘, ‚Verfolgung‘ und ‚Genozid‘
a) Verantwortliche
● Staatliche Akteure
● Nichtstaatliche Akteure
b) Hauptfaktoren
- Autoritarismus. Eine Herrschaftsform, bei der es zu fortschreitenden, gewaltlosen Formen der systematischen Diskriminierung und gewaltsamen Formen der Verfolgung von Teilen der Bevölkerung kommen kann. Sie ist durch eine hohe Machtkonzentration und zentralisierte Machtstrukturen gekennzeichnet, die durch politische Unterdrückung, den Ausschluss potenzieller Herausforderer und die Unterdrückung von Glaubensgemeinschaften aufrechterhalten werden. Ein erstes Anzeichen für die Entwicklung zu einer autoritären Herrschaftsform ist die Nichteinhaltung der Verpflichtungen aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen.
- Ethnisch-religiöser Nationalismus. Eine Form des Nationalismus, die die Identität einer Nation eng mit einer bestimmten ethnischen Zugehörigkeit und mit einem religiösen Glauben verknüpft. Nach dieser Vorstellung sind die Angehörigen bestimmter ethnischer Gemeinschaften und Glaubensgemeinschaften authentische, legitime Bürger einer Nation, während ethnische und religiöse Minderheiten unter Intoleranz, Diskriminierung und Verfolgung leiden.
- Religiöser Extremismus. Dieser geht von gewaltbereiten Gruppen aus, die einer extremen Auslegung einer Religion folgen und ihre politischen Ziele mit terroristischen Aktivitäten durchsetzen. Dazu gehören lokale Gruppierungen und ihre Ableger wie die Taliban (mit Ausnahme von Afghanistan, wo die Taliban die De-facto-Regierung bilden), Boko Haram, Islamischer Staat, Al-Qaida, Al-Shabaab usw.
- Säkularer Extremismus. Ein Trend in einigen Gesellschaften, das religiöse Leben aus der Öffentlichkeit herauszuhalten und in die Privatsphäre zu verlagern. Durch die Einschränkung der Religionsfreiheit versucht man, säkulare Ideen durchzusetzen. Gläubigen ist es untersagt, ihre religiösen Überzeugungen zum Ausdruck zu bringen, oder sie müssen mit Strafen rechnen, wenn sie sich weigern, eine Weltanschauung zu übernehmen, die ihren religiösen Überzeugungen widerspricht.
- Organisierte Kriminalität. Kriminelle Organisationen, die aus Gewinn- oder Machtstreben planmäßig Straftaten begehen und bei Glaubensgemeinschaften und deren führenden Repräsentanten, die die Opfer verteidigen, auf Gegenwehr stoßen.
8. Trends im Berichtszeitraum und Ausblick auf die nächsten zwei Jahre:
9. Datenanalyse und Ergebnisse
Die Datenanalyse und deren Ergebnisse stellt KIRCHE IN NOT (international: Aid to the Church in Need – ACN) im Bericht Religionsfreiheit weltweit vor, der Informationen und Daten aus 196 Ländern zusammenfasst. Die Länder sind nach der Schwere der Verstöße gegen die Religionsfreiheit (wie Verfolgung, Diskriminierung) kategorisiert und nach Regionen geordnet. In dem Bericht werden grundlegende Trends dargestellt, die sich während des zweijährigen Berichtszeitraums konkretisiert haben. Ergänzt wird er durch eine Zusammenfassung, die einen Überblick über die globalen und regionalen Entwicklungen gibt.
Neben dem aktuellen Bericht steht auf der Website ein Archiv der früheren Ausgaben des Berichts zur Verfügung.
9.1 Länderberichte zur Religionsfreiheit weltweit
In jedem Länderbericht wird die religiöse Demografie des Landes und der Status der Religionsfreiheit untersucht, der sich aus den rechtlichen Rahmenbedingungen ergibt. Darüber hinaus werden Vorfälle und Entwicklungen im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit beschrieben, die im Laufe des zweijährigen Berichtszeitraums beobachtet wurden. Zum Abschluss jedes Berichts wird ein kurzer Ausblick auf die zu erwartenden Entwicklungen in dem jeweiligen Land gegeben. Sobald alle Informationen zusammengetragen wurden, wird jedes Länderprofil einem Faktencheck unterzogen und stilistisch überarbeitet, bevor es in den Bericht integriert und vom Redaktionsausschuss geprüft wird.
a) Religiöse Demografie
Jeder Länderbericht bietet zunächst einen Überblick über die religiöse Zusammensetzung der Bevölkerung, der den notwendigen Kontext für die Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen und der beobachteten Vorfälle liefert. Genannt werden die Anzahl der Anhänger der einzelnen Glaubensrichtungen und ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung, einschließlich der Atheisten und Agnostiker, nach der Typologie von Brill/Boston University.
Quellen: Die Daten stammen aus nationalen Volkszählungen, amtlichen Statistiken, wissenschaftlichen Studien und internationalen Datenbanken, die überwiegend in der World Religion Database (Brill/Boston University) erfasst sind.
b) Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
In diesem Abschnitt wird untersucht, welche Rechtsnormen das Recht auf Religionsfreiheit gewährleisten und in welchem Umfang sie tatsächlich Anwendung finden.
- Gesetzeslage
Die Analyse folgt einer hierarchischen Struktur:
● Verfassungsmäßige Garantien: Untersuchung der Frage, ob das Recht auf Religionsfreiheit durch die Verfassung des Landes geschützt ist und ob dieses Recht Einschränkungen unterliegt.
● Nationale Gesetzgebung: Untersuchung der Gesetze, die unter anderem die behördliche Registrierung von Glaubensgemeinschaften, religiöse Äußerungsformen (z. B. Kleidervorschriften, Gottesdienstpraktiken), Bekenntniswechsel und Proselytismus regeln, und der Gesetze, die Blasphemie, Apostasie oder die Diffamierung von Glaubensgemeinschaften verbieten. Des Weiteren befasst sich dieser Abschnitt mit den Rechtsvorschriften über Bildung und Religionsunterricht.
● Einhaltung internationaler Normen: Beurteilung der Frage, inwieweit die nationalen Rechtsnormen mit den internationalen Menschenrechtsnormen im Einklang stehen, die unter anderem im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegt sind.
- Faktische Anwendung
Darüber hinaus geht dieser Abschnitt der Frage nach, inwieweit die relevanten Rechtsnormen tatsächliche Anwendung finden:
● Umsetzungslücken: Inwieweit werden die auf dem Papier stehenden Schutzmechanismen in der Praxis untergraben?
● Diskriminierende Durchsetzung: Werden die Rechtsnormen für alle gleich oder nur selektiv angewendet?
● Eingeschränkter Zugang zur Rechtsprechung: Wird bei bestimmten Verstößen gegen die Religionsfreiheit nicht ermittelt? Werden die Anhänger der verschiedenen Glaubensrichtungen von den Strafverfolgungsbehörden unterschiedlich behandelt?
● Tendenziöses Verhalten von Behörden: Untergräbt das Vorgehen von Justiz, Strafverfolgungsbehörden oder Staatsbediensteten die Religionsfreiheit?
● Kommunale Verwaltung: Inwieweit werden Rechtsvorschriften, die Glaubensgemeinschaften betreffen, von den Kommunen und Polizeibehörden umgesetzt, missachtet oder manipuliert?
● Informelle oder gewohnheitsmäßige Normen: In einigen Kontexten wird das Recht auf Religionsfreiheit von religiösen oder traditionellen Normen beeinflusst, die außerhalb des staatlichen Rechtssystems durchgesetzt werden.
c) Vorfälle und aktuelle Entwicklungen
In diesem Abschnitt werden Verstöße gegen die Religionsfreiheit aus dem zweijährigen Berichtszeitraum dokumentiert. Die Vorfälle werden in der Regel mit geografischen Angaben chronologisch erfasst, damit gegebenenfalls Muster und Trends erkennbar werden.
Darüber hinaus machen wir auch auf Entwicklungen im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit aufmerksam. Diese können von staatlichen, zivilgesellschaftlichen oder internationalen Initiativen ausgehen und können auf umfassendere politische oder soziale Veränderungen hindeuten. Es werden negative, teils negative/teils positive und positive Entwicklungen erfasst, zum Beispiel Veränderungen, die dazu beitragen, dass das Recht auf Religionsfreiheit besser geschützt und verwirklicht wird, sei es durch interreligiösen Dialog, Friedensbemühungen unter der Leitung von führenden Vertretern von Glaubensgemeinschaften, interreligiöse Initiativen oder Bildungsprogramme zur Förderung religiöser Toleranz. Die Entwicklungen bieten kontextbezogene Einblicke in die Ursachen und Folgen von Vorfällen (z. B. ein neues Gesetz, das zu mehr Festnahmen führt) und bilden die Grundlage für die Analyse der Zukunftsperspektiven.
Die Berichtsstruktur variiert je nach Umfang der Vorfälle. In Ländern, in denen es zu vielen Verstößen kommt, werden die Vorfälle aus Gründen der Übersichtlichkeit gruppiert und zusammengefasst. Die vollständige Dokumentation ist in den genannten Quellen zu finden.
Die Vorfälle werden nach Art der Verstöße gegen die Religionsfreiheit und je nach Kontext des jeweiligen Landes kategorisiert. Typische Kategorien:
● Körperliche Gewalt oder Drohungen
● Entführung oder willkürliche Festnahmen
● Diskriminierung am Arbeitsmarkt, im Bildungswesen oder bei der Vergabe von öffentlichen Ämtern
● Zerstörung oder Schändung von Gebetsstätten und religiösen Gegenständen
● Zwangsbekehrungen
ACN stellt mit dem Bericht Religionsfreiheit weltweit eine umfassende und überprüfbare Dokumentation bereit. Jeder dokumentierte Vorfall ist durch glaubwürdige Quellen belegt. Dazu zählen Medienberichte, Dokumentationen zivilgesellschaftlicher Organisationen, Augenzeugenberichte, Erklärungen von Regierungsbehörden und Berichte von der UN und von internationalen Organisationen.
d) Perspektiven für die Religionsfreiheit
Ausgehend von den aktuellen Bedingungen und der beschriebenen Dynamik bietet dieser Abschnitt einen fundierten Ausblick auf die zu erwartende Entwicklung der Religionsfreiheit in dem Land, sei es zum Positiven oder zum Negativen.
Bei der Analyse werden unter anderem folgende Faktoren berücksichtigt:
● Interne Entwicklungen und jüngste Reformen oder Rückschritte in Bezug auf die Religionsfreiheit
● Politische oder gesellschaftliche Entwicklungen, wie das Aufkommen von religiösem Nationalismus oder Säkularisierungsbestrebungen
● Einschlägige Gerichtsbeschlüsse oder geplante Gesetzesinitiativen und die zu erwartenden Auswirkungen
● Regionale Einflüsse, wie die Lage der Religionsfreiheit in den Nachbarstaaten, grenzüberschreitende Effekte und Flüchtlingsströme
● Internationaler Druck durch Sanktionen, diplomatische Initiativen oder sonstige Interventionen
Dieser Abschnitt trägt zu einem umfassenderen Verständnis der Entwicklung der Religionsfreiheit in dem betreffenden Land bei und stellt die Vorfälle und politischen Veränderungen in einen größeren regionalen und internationalen Kontext.
9.2 Die Zusammenfassung des Berichts Religionsfreiheit weltweit
Die Zusammenfassung des ACN-Berichts Religionsfreiheit weltweit bietet einen knappen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse des Berichts. Sie hebt die grundlegenden globalen Herausforderungen für die Religionsfreiheit hervor und bewertet die allgemeinen Aussichten für die Religionsfreiheit im internationalen Kontext.
Die Zusammenfassung ist wie folgt aufgebaut:
a) Die wichtigsten Ergebnisse weisen auf grundlegende globale Herausforderungen für die Religionsfreiheit und auf Verstöße in den Kategorien Intoleranz, Diskriminierung und Verfolgung hin.
b) Für Lateinamerika und die Karibik, den Nahen Osten und Nordafrika, Subsahara-Afrika, das Maritime Asien, Festland-Asien und die OSZE-Länder werden Regionale Analysen erstellt. Jede Region, die von einer bestimmten religiösen Demografie und geopolitischen Struktur geprägt ist, wird im Hinblick auf die Entwicklung der Religionsfreiheit im Berichtszeitraum untersucht, wobei das Augenmerk besonders auf neu auftretende Risiken, positive Entwicklungen und die regionalspezifische Dynamik gerichtet wird.
Die Verteilung der Länder auf die Regionen ist der folgenden Tabelle zu entnehmen.
| Lateinamerika und Karibik | Naher Osten und Nordafrika | Subsahara-Afrika | Maritimes Asien | Festland-Asien | OSZE-Länder in Europa |
1. Antigua & Barbuda 2. Argentinien 3. Bahamas 4. Barbados 5. Belize 6. Bolivien 7. Brasilien 8. Chile 9. Kolumbien 10. Costa Rica 11. Kuba 12. Dominica 13. Dominikanische Republik 14. Ecuador 15. El Salvador 16. Grenada 17. Guatemala 18. Guyana 19. Haiti 20. Honduras 21. Jamaika 22. Mexiko 23. Nicaragua 24. Panama 25. Paraguay 26. Peru 27. St. Kitts und Nevis 28. St. Lucia 29. St. Vincent & die Grenadinen 30. Suriname 31. Trinidad & Tobago 32. Uruguay 33. Venezuela
| 34. Afghanistan 35. Algerien 36. Bahrain 37. Ägypten 38. Iran 39. Irak 40. Israel 41. Jordanien 42. Kuwait 43. Libanon 44. Libyen 45. Marokko 46. Oman 47. Pakistan 48. Palästina & Gaza 49. Katar 50. Saudi-Arabien 51. Syrien 52. Tunesien 53. Türkei 54. Vereinigte Arabische Emirate 55. Jemen | 56. Angola 57. Benin 58. Botsuana 59. Burkina Faso 60. Burundi 61. Kamerun 62. Kap Verde 63. Zentralafrikanische Republik 64. Tschad 65. Komoren 66. Kongo, Dem. Rep. 67. Kongo, Republik 68. Dschibuti 69. Eritrea 70. Eswatini (Swasiland) 71. Äthiopien 72. Gabun 73. Gambia 74. Ghana 75. Guinea-Bissau 76. Guinea Conakry 77. Äquatorialguinea 78. Elfenbeinküste 79. Kenia 80. Lesotho 81. Liberia 82. Madagaskar 83. Malawi 84. Mali 85. Mauretanien 86. Mauritius 87. Mosambik 88. Namibia 89. Niger 90. Nigeria 91. Ruanda 92. São Tomé e Príncipe 93. Senegal 94. Seychellen 95. Sierra Leone 96. Somalia 97. Südafrika 98. Südsudan 99. Sudan 100. Tansania 101. Togo 102. Uganda 103. Sambia 104. Simbabwe | 105. Australien 106. Brunei 107. Fidschi 108. Indonesien 109. Kiribati 110. Malaysia 111. Malediven 112. Marshallinseln 113. Mikronesien 114. Nauru 115. Neuseeland 116. Palau 117. Papua-Neuguinea 118. Philippinen 119. Samoa
120. Salomoninseln 121. Osttimor (Timor-Leste) 122. Tonga 123. Tuvalu 124. Vanuatu
| 125. Bangladesch 126. Bhutan 127. Kambodscha 128. China 129. Indien 130. Japan 131. Korea, Nord 132. Korea, Süd 133. Laos 134. Mongolei 135. Myanmar 136. Nepal 137. Singapur 138. Sri Lanka 139. Taiwan 140. Thailand 141. Vietnam
| 142. Albanien 143. Andorra 144. Armenien 145. Österreich 146. Aserbaidschan 147. Belarus 148. Belgien 149. Bosnien-Herzegowina 150. Bulgarien 151. Kanada 152. Kroatien 153. Zypern 154. Tschechische Republik 155. Dänemark 156. Estland 157. Finnland 158. Frankreich 159. Georgien 160. Deutschland 161. Griechenland 162. Ungarn 163. Island 164. Irland 165. Italien 166. Kasachstan 167. Kosovo 168. Kirgisistan 169. Lettland 170. Liechtenstein 171. Litauen 172. Luxemburg 173. Nord-Mazedonien 174. Malta 175. Moldau 176. Monaco 177. Montenegro 178. Niederlande 179. Norwegen 180. Polen 181. Portugal 182. Rumänien 183. Russland 184. San Marino 185. Serbien 186. Slowakei 187. Slowenien 188. Spanien 189. Schweden 190. Schweiz 191. Tadschikistan 192. Turkmenistan 193. Großbritannien 194. Ukraine 195. USA 196. Usbekistan
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c) In der Globalen Analyse werden grundlegende internationale und transnationale Trends und Bedrohungen beschrieben, die die Religionsfreiheit betreffen.
d) Zur Veranschaulichung weitreichender Probleme mit der Religionsfreiheit werden in Fallstudien einzelne Ereignisse, Personen oder Glaubensgemeinschaften ausführlicher beschrieben. Sie informieren über Hintergründe und wichtige Details. Zudem verdeutlichen sie aus einer menschlichen Perspektive wiederkehrende Muster von Verstößen gegen die Religionsfreiheit und ihre Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit der Menschen.
e) Die Hintergrundinformationen geben thematische Einblicke in die Entstehung und Entwicklung einzelner Probleme und Szenarien im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit und liefern den notwendigen Kontext, der die Einordnung der Ergebnisse des Berichts erleichtern soll.
f) Die Klassifizierungstabelle und die Karte informieren über den Schweregrad und die Art der Verstöße gegen die Religionsfreiheit in den einzelnen Ländern. In der Karte sind die Länder farblich gekennzeichnet. Dabei steht rot für Verfolgung und orange für Diskriminierung.
g) Die Infografiken veranschaulichen grundlegende statistische Daten und Zahlen zu Verstößen gegen die Religionsfreiheit.
10. Beispiel für eine Klassifizierungstabelle (als Orientierungshilfe)
In jedem Fall muss der Zwischenfall klar religiös motiviert sein[1] und darf nicht auf eine allgemein schlechte Sicherheitslage zurückzuführen sein.
● „Hassverbrechen“ kommen in allen Kategorien vor. Darunter sind hassmotivierte Körperverletzungen und Sachbeschädigungen zu verstehen.
● In die Kategorie „unter Beobachtung“ werden Länder eingestuft, in denen es zu einigen schwerwiegenderen Vorfällen kam, die aber noch nicht ausreichen, um das Land in eine Kategorie einzustufen.
| Kategorie | (Unvollständige Auflistung nur der häufigsten Vorkommnisse) | Ja | Häufigkeit erhöht? | Nein | |
| A | Intoleranz | ||||
| 1 | Drohungen | ||||
| 2 | Hassrede, auch Gewaltaufrufe | ||||
| 3 | Einschüchterung | ||||
| 4 | Vandalismus | ||||
| ERGEBNIS AUS A | |||||
| B | Diskriminierung (direkt und indirekt)[2] | ||||
| 1 | Vorgeschriebene Staatsreligion | ||||
| 2 | Konvertierung nicht möglich (als Folge der auferlegten Staatsreligion) | ||||
| 3 | Anklage wegen Blasphemie möglich | ||||
| 4 | Verbot der Glaubensausübung außerhalb von Gebetsstätten | ||||
| 5 | Erwerb (sowie Reparatur oder Instandhaltung) von Grundeigentum nicht möglich | ||||
| 6 | Kein Schutz von Grundeigentum | ||||
| 7 | Kein Zugang zu bestimmten Berufen | ||||
| 8 | Kein Zugang zu öffentlichen Ämtern | ||||
| 9 | Kein Zugang zu Fördermitteln | ||||
| 10 | Kein Zugang zu bestimmten Formen/Stufen der (Aus-)bildung | ||||
| 11 | Verbot religiöser Symbole | ||||
| 12 | Kein Recht zur Ernennung von Geistlichen | ||||
| 13 | Keine Einhaltung von Feiertagen | ||||
| 14 | Kein Missionieren, keine religiösen Schriften verfügbar | ||||
| 15 | Keine Kommunikation mit anderen Glaubensgemeinschaften auf nationaler und internationaler Ebene | ||||
| 16 | Kein Recht auf eigene Medien | ||||
| 17 | Kein Recht, gemeinnützige oder humanitäre Einrichtungen zu gründen und zu finanzieren | ||||
| 18 | Kein Recht, den Militärdienst oder berufliche Leistungen aus Gewissensgründen zu verweigern | ||||
| ERGEBNIS AUS B | |||||
| C | Verfolgung | Alle Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die in Artikel 7 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs[3] aufgeführt sind, einschließlich: | |||
| 1 | Vorsätzliche Tötung (Mord) | ||||
| 2 | Ausrottung (Massenmord) | ||||
| 3 | Versklavung | ||||
| 4 | Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung | ||||
| 5 | Freiheitsentzug oder sonstige schwerwiegende Beraubung der körperlichen Freiheit | ||||
| 6 | Folter, Körperverletzung, Verstümmelung | ||||
| 7 | Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Zwangsprostitution, erzwungene Schwangerschaft, Zwangssterilisation oder jede andere Form sexualisierter Gewalt von vergleichbarer Schwere | ||||
| 8 | Gewaltsames Verschwindenlassen | ||||
| 9 | Enteignung von Gebäuden, Vermögensteilen, Finanzmitteln, auch „rechtmäßig“ | ||||
| 10 | Besetzung von Grundeigentum | ||||
| 11 | Massive Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, drakonische Urteile / Strafen | ||||
| 12 | Einschüchterung, Drohungen | ||||
| 13 | Sachbeschädigung (des Eigentums von Glaubensgemeinschaften und Personen) | ||||
| 14 | Apartheid | ||||
| 15 | Alle sonstigen Straftaten (einschließlich unmenschlicher Handlungen, mit denen vorsätzlich großes Leid oder schwere Verletzungen verursacht werden) | ||||
| ERGEBNIS AUS C | |||||
| D | Genozid | ||||
| 1 | Töten von Angehörigen einer bestimmten Bevölkerungsgruppe | ||||
| 2 | Zufügen schwerer körperlicher oder seelischer Schäden (einschließlich sexualisierter Gewalt) | ||||
| 3 | Vorsätzliches Auferlegen von Lebensbedingungen, die geeignet sind, die Bevölkerungsgruppe ganz oder teilweise physisch zu vernichten | ||||
| 4 | Verhängen von Maßnahmen zur Verhinderung von Geburten innerhalb der Bevölkerungsgruppe einschließlich sexualisierter Gewalt | ||||
| 5 | Gewaltsames Überführen von Kindern der Bevölkerungsgruppe in eine andere Gruppe | ||||
| ERGEBNIS AUS D | |||||
| 41 | ERGEBNIS A+B+C+D (X/41) | ||||
[1] Religiöse Vorurteile können weniger offensichtliche Erscheinungsformen annehmen, wie zum Beispiel:
(a) Negative Stereotypisierung oder Multikulturalismus bzw. Identitätspolitik mit negativen Auswirkungen auf bestimmte Gruppen (wenn z. B. Behörden alles tun, um einer Glaubensrichtung entgegenzukommen, aber einer anderen Glaubensrichtung nicht dieselben Vorteile bieten). Oder ungleiche Behandlung durch Unterlassung (Zensur/Säkularisierung von Feiertagen wie Osten und Weihnachten).
(b) Mangelnde Toleranz oder mangelndes Entgegenkommen aufgrund von religiöser Unwissenheit. Wenn z. B. Studierende aus Kursen ausgeschlossen werden, weil sie ihre christlichen Überzeugungen in den sozialen Medien zum Ausdruck bringen, oder wenn Mitarbeiter bestraft/entlassen werden, weil sie ihren Glauben bekunden oder sich weigern, gegen ihren Glauben zu handeln (z. B. obligatorische Verwendung von Transgender-Pronomen).
(c) Sogenannte Cancel Culture, also der Boykott von Personen oder Organisationen aufgrund der von ihnen vertretenen Überzeugungen.
(d) Wenn Gläubigen das Recht verwehrt wird, einen Dienst oder eine Dienstleistung aus Gewissensgründen abzulehnen (z. B. wenn der Apotheker zum Verkauf von Abtreibungsmitteln verpflichtet ist).
(e) Bürokratische Ungleichbehandlung: Visa werden verweigert, Räumlichkeiten werden nicht für bestimmte Veranstaltungen vermietet, Ausgrenzung durch Behörden.
(f) Intoleranz durch Unterlassung: wenn staatliche Stellen es unterlassen, Probleme anzugehen, die zur Ausgrenzung einzelner Glaubensgemeinschaften führen.
[2] Indirekte Diskriminierung: Richtlinien, Auswahlkriterien oder Praktiken, die einzelne Bevölkerungsgruppen im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen benachteiligen; beispielsweise, wenn katholische Adoptionsagenturen gezwungen werden, auch gleichgeschlechtliche Paare zu betreuen, oder wenn Vorschriften zu moralisch fragwürdigen Lerninhalten erlassen werden, ohne dass christliche Eltern für ihre Kinder eine Befreiung von Unterricht beantragen können.
[3] Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs. Geschehen zu Rom am 17. Juli 1998, in Kraft getreten am 1. Juli 2002, United Nations, Treaty Series, vol. 2187, No. 38544, Depositary: Secretary-General of the United Nations, http://treaties.un.org. (Abgerufen am 30. Mai 2024 https://www.icc-cpi.int/resource-library/documents/rs-eng.pdf)


