Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Das Sultanat Brunei (amtlich: Sultanat Brunei Darussalam) liegt ebenso wie Teile Malaysias und Indonesiens auf der Insel Borneo. Das einst große Reich zerfiel im 19. Jahrhundert und wurde 1888 britisches Protektorat. Im Zweiten Weltkrieg stand das Sultanat unter japanischer Besatzung. Seine vollständige Unabhängigkeit von Großbritannien erlangte Brunei erst im Jahr 1984.
Die aktuelle Verfassung von Brunei wurde 1959 verabschiedet und 2006 überarbeitet. Gemäß Artikel 2, Absatz 1 ist der Islam „nach der schafiitischen Bewegung der Ahlus Sunnah wal Jamaah“ Staatsreligion. Die „schafiitische Bewegung“, auch bekannt als schafiitische Rechtsschule, ist eine der vier großen Schulen der islamischen Rechtswissenschaft (Fiqh). Artikel 3 der Verfassung sichert Gläubigen ein gewisses Recht auf Religionsfreiheit zu. Er besagt, dass „alle anderen Religionen in Frieden und Harmonie von ihren Anhängern ausgeübt werden können“.[1]
Das Sultanat Brunei ist eine absolute Monarchie, die mit Unterstützung eines Hohen Rates die Staatsphilosophie Melayu Islam Beraja (Malaiisch-Islamische Monarchie, MIB) propagiert.[2] Dem Hohen Rat kommt die Aufgabe zu, die Staatsphilosophie und den Islam zu fördern.[3]
In Brunei gibt es sowohl säkulare Gerichte als auch Scharia-Gerichte, die parallel arbeiten. Das säkulare Rechtswesen basiert auf dem englischen Common Law und einem säkularen Strafrecht. Scharia-Gerichte wenden das islamische Recht im Sinne der schafiitischen Rechtsschule an. Vor Scharia-Gerichten werden Strafsachen, Familienangelegenheiten und andere zivilrechtliche Fragen verhandelt. Dabei kommt neben der seit Langem bestehenden Scharia auch der neue Syariah Penal Code (Scharia-Strafrecht, SPC) zur Anwendung. Die erste Stufe des SPC wurde im Jahr 2014 eingeführt, die zweite und die dritte Stufe traten im April 2019 in Kraft.
Die Scharia gilt in Brunei sowohl für Muslime als auch für Nichtmuslime. Mit dem Islam nicht vereinbare Verhaltensweisen sind allen muslimischen und nichtmuslimischen Bürgern Bruneis sowie ausländischen Besuchern untersagt und können strafrechtlich verfolgt werden. Die Scharia verbietet unter anderem den Konsum von Alkohol und den öffentlichen Verzehr von Speisen während der Fastenzeiten im Ramadan. Diese Verbote werden routinemäßig durchgesetzt. Von den Pflichten muslimischer Gläubiger, wie etwa der Teilnahme am Freitagsgebet oder dem Geben von Almosen (Zakāt), sind Nichtmuslime jedoch ausgenommen.
Der Schutz der Staatsreligion wird durch weitreichende Rechtsvorschriften gewährleistet. So gilt jedwedes Handeln, das „darauf abzielt, das Bild des Islam zu beschmutzen“, als Straftat. Ebenso ist es strafbar, das Scharia-Strafrecht zu kritisieren.[4] Seit 2015 ist das Feiern des Weihnachtsfestes, das öffentliche Zurschaustellen von Weihnachtsschmuck und das Singen von Weihnachtsliedern verboten. So soll verhindert werden, dass die Aqidah (Glaubenslehre) der Muslime Schaden nimmt.[5] Trotz des Verbots verkaufen einige Einrichtungen Weihnachtsartikel und werben für weihnachtliche Veranstaltungen. Gleichwohl ist Weihnachten nach wie vor ein Feiertag.[6] Im Jahr 2015 verschärfte die Regierung außerdem die Vorschriften für die öffentliche Feier von chinesischen traditionellen Festen.[7]
Alle Glaubensgemeinschaften müssen sich behördlich registrieren lassen. Zu diesem Zweck müssen sie über ihre Organisation, ihre Gläubigen und ihre Aktivitäten Auskunft geben. Die Registrierung ist zwingend erforderlich, kann aber von der zuständigen Behörde nach eigenem Ermessen abgelehnt werden. Nicht registrierte Gemeinschaften können wegen rechtswidriger Versammlung mit Geldstrafen belegt werden. Die Mitgliedschaft in einer nicht registrierten Organisation wird strafrechtlich verfolgt und kann eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren nach sich ziehen. Öffentliche Zusammenkünfte von fünf oder mehr Personen, auch Gottesdienste oder Gebete, müssen behördlich genehmigt werden.[8]
Nichtmuslimische Glaubensgemeinschaften haben aufgrund der gesetzlichen Vorschriften nur begrenzte Möglichkeiten, ihre Gebäude zu erweitern oder zu renovieren, weshalb die Einrichtungen häufig zu klein oder in anderer Form unzureichend sind. Neben einer kleinen Zahl von buddhistischen, taoistischen und hinduistischen Tempeln gibt es in Brunei auch einige wenige Kirchen. Kirchengebäude und Schulen in kirchlicher Trägerschaft dürfen zwar grundsätzlich renoviert werden, doch sind die Genehmigungsverfahren in der Praxis langwierig, kompliziert und mit Verzögerungen verbunden. Eine geltende Fatwa untersagt es Muslimen, Nichtmuslime bei der Glaubensausübung zu unterstützen; das heißt auch, dass sie keine Arbeiten an nichtmuslimischen Einrichtungen verrichten dürfen.[9]
Die Regierung von Brunei hat einige Glaubensgemeinschaften verboten, darunter die islamische Ahmadiyya-Gemeinschaft, die in Malaysia ansässige islamische Al-Arqam-Bewegung, das Bahaitum und die Zeugen Jehovas. Entsprechende Fatwas wurden vom Staatsmufti und vom Religionsrat verhängt. Derzeit können Muslime ihren Glauben auf eigenen Wunsch ablegen, müssen dies jedoch offiziell beim Islamischen Religionsrat melden.[10]
Schulen, die vom Ministerium für Religiöse Bildung oder vom Ministerium für Religiöse Angelegenheiten verwaltet werden, bieten islamischen Religionsunterricht an. An diesen Schulen ist der Islamunterricht für muslimische Kinder ein Pflichtfach, während nichtmuslimische Schüler freiwillig daran teilnehmen können. Muslimische Eltern müssen darüber hinaus ihre Kinder an Schulen anmelden, in denen zusätzlicher Religionsunterricht stattfindet. Halten sie sich nicht an diese Vorschrift, droht ihnen eine Geld- oder eine Gefängnisstrafe von bis zu zwölf Monaten. Nichtmuslimische Glaubensrichtungen sind in den staatlichen Lehrplänen für den Religionsunterricht nicht vorgesehen.[11]
Das Bildungsministerium erkennt kirchliche Privatschulen an, die Schüler jeder Glaubensrichtung aufnehmen können. Doch selbst Privatschulen unter kirchlicher Trägerschaft dürfen keinen christlichen Religionsunterricht erteilen. Zuwiderhandlungen können strafrechtlich verfolgt werden. Im Schulunterricht ist ausschließlich die Lehre des schafiitischen Islams vorgesehen. Andere islamische Glaubensrichtungen dürfen nur im privaten Rahmen, wie zum Beispiel in der Familie oder in eingetragenen Glaubensgemeinschaften, gelehrt werden.[12]
Nur staatlich registrierte Imame dürfen beim Freitagsgebet predigen. Der Inhalt der Predigten wird vom Ministerium für Religiöse Angelegenheiten vorgegeben.[13] Die Regierung warnt die Bevölkerung regelmäßig vor anderen Formen des Islams, seien es liberale Richtungen, die salafistische oder die wahhabitische Lehre. Die offizielle Vorgehensweise des Landes in Bezug auf den Islam wird mitunter damit begründet, dass sie ein Bollwerk gegen Extremismus darstelle.[14]
Die meisten offiziellen Veranstaltungen beginnen mit einem islamischen Gebet. Während des Freitagsgebets sind die Geschäfte geschlossen und Restaurants bieten während der Fastenzeiten im Ramadan keine Speisen an. Die Einwohner Bruneis müssen einen Ausweis mit sich führen, der in der Praxis dazu dient, die Religionszugehörigkeit des Inhabers festzustellen. Besucher des Landes müssen ihre Religionszugehörigkeit bei der Visumbeantragung angeben.[15]
Brunei hält an seiner Anwendung des Syariah Penal Code fest, wodurch religiöse Praktiken strengen Rechtvorschriften unterliegen. Gemäß dem Scharia-Strafrecht ist es beispielsweise untersagt, gegenüber Muslimen oder Nichtgläubigen andere Religionen als den Islam zu predigen. Verstöße werden entweder mit Geld- oder Freiheitsstrafen geahndet; in manchen Fällen finden sogar beide Strafen Anwendung.
Darüber hinaus enthält das Scharia-Strafrecht Bestimmungen, die Kritik am Islam oder am Gesetzestext selbst unter Strafe stellen. Ebenso ist es verboten, den Sultan oder jegliche Gesetze im Zusammenhang mit dem Islam zu verunglimpfen oder zu beleidigen. Diese Bestimmungen haben nach wie vor Auswirkungen auf die Religionsfreiheit im Land.[16]
Vorfälle und aktuelle Entwicklungen
Am 7. und 8. Juli 2023 wurde in Brunei der Beginn des Islamischen Neujahrs gefeiert. Dazu hielt der Sultan eine wichtige Ansprache zum Thema psychische Gesundheit. Dabei wies er auf die über 11.000 Menschen hin, die sich im Krankenhaus Raja Isteri Pengiran Anak Saleha in psychologischer und psychiatrischer Behandlung befinden. Darüber hinaus betonte er die Notwendigkeit von erweiterten Angeboten für psychische Gesundheit und forderte die Verflechtung wissenschaftlicher und spiritueller Ansätze, einschließlich religiöser Bildung. Diese Bemühungen setzte er mit dem Konzept der Hijrah in Verbindung, das für positive Veränderung und Verbesserung steht. Er hob außerdem das Leitmotiv des Jahres, „Den Geist fördern“, hervor und betonte dabei besonders die Bedeutung eines gesunden Geistes für ein gesundes Leben sowie das Verbot von Rauschmitteln im Islam.[17]
Im weiteren Verlauf des Jahres prangerte Brunei – wie auch andere mehrheitlich muslimische Länder – die Koranverbrennung in Schweden an. Die Regierung kritisierte den Vorfall scharf und bezeichnete ihn als islamophobe Handlung. Darüber hinaus forderte sie international geltende Rechtsmaßnahmen, um eine Prävention derartiger Vorfälle zu gewährleisten.[18]
Seit dem Tod von Kardinal Cornelius Sim im Jahr 2021 konnte die kleine katholische Gemeinde Bruneis unter der Leitung von Generalvikar Pater Robert Leong fortbestehen. Obwohl die Katholische Kirche mit ihren drei Gemeinden in dem vornehmlich muslimischen Land eine verschwindend kleine Minderheit bildet, ist sie noch immer eine lebhafte Glaubensgemeinschaft. Dies ist zum Großteil der aktiven Teilhabe philippinischer Migranten zu verdanken. Ihre Hingabe und die Fülle an beliebten religiösen Praktiken erhalten das katholische Leben des Landes und bereichern es in hohem Maße.[19]
Die in Brunei lebenden philippinischen Einwanderer spielen für die Katholische Kirche im Land eine entscheidende Rolle. Obwohl die Diözese zu den kleinsten in Asien gehört, hat sie das Glück, eine große philippinische Gemeinde zu haben, die „den Glauben ungemein bereichert“.[20]
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Während des Berichtszeitraums war die religiöse Landschaft Bruneis geprägt durch die strikte Durchsetzung des islamischen Rechts. Dabei kam es auch zu schwerwiegenden Einschränkungen der Religionsfreiheit von Nichtmuslimen. Das Scharia-Strafrecht, das harte Strafen vorsieht– wie die Steinigung aufgrund von Ehebruch und Homosexualität sowie die Amputation aufgrund von Diebstahl –, ist nach wie vor wirksam.[21] Nichtmuslimische Religionspraktiken stehen unter strenger Beobachtung; das Beten in der Öffentlichkeit, Religionsunterricht und die Verbreitung religiöser Inhalte unterliegen erheblichen Einschränkungen. Diese Entwicklungen zeigen, dass Brunei trotz internationaler Kritik und Bedenken hinsichtlich Menschenrechtsverletzungen weiterhin darauf setzt, seine Macht durch religiöse Autorität zu festigen.
Quellen