BURKINA FASO
Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Die Verfassung von Burkina Faso, ursprünglich 1991 verabschiedet und 2015 geändert, wurde im Oktober 2022 durch die Annahme einer Übergangs-Charta, die vom neu eingesetzten Übergangspräsidenten Ibrahim Traoré eingeführt wurde, erneut revidiert.[1] Traoré kündigte zudem eine „teilweise Änderung“ der Verfassung an, da diese für ihn lediglich „die Ansichten einer Handvoll erleuchteter Individuen“ statt „der Masse des Volkes“ repräsentiere. Weitere Änderungen wurden im Dezember 2023[2] sowie im Mai[3] und Oktober 2024[4] beschlossen.
Die Revisionen betrafen in erster Linie das institutionelle Gefüge des Landes und hatten keinen Einfluss auf die verfassungsrechtlichen Bestimmungen zur Religionsfreiheit. Die Verfassung definiert Burkina Faso weiterhin als säkulare Republik, die keiner Religionsgemeinschaft besondere Privilegien einräumt und den Bürgern umfassende Religionsfreiheit garantiert.
Artikel 1 der Verfassung untersagt die Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit: „Niemand darf wegen seiner ethnischen oder seiner geografischen Herkunft, seiner Hautfarbe, seines Geschlechts, seiner Sprache, seiner Religion, seiner sozialen Stellung, seiner politischen Überzeugungen, seiner Vermögensverhältnisse oder seines Alters diskriminiert werden.“[5]
Artikel 7 sichert den Bürgern Religionsfreiheit zu: „Die Freiheit des Glaubens, des Nichtglaubens, des Gewissens, der religiösen Überzeugung, [der] Philosophie, der Glaubensausübung, die Versammlungsfreiheit, die freie Ausübung von Bräuchen sowie die Freiheit von Prozessionen und Demonstrationen sind durch diese Verfassung garantiert, vorbehaltlich der Achtung des Gesetzes, der öffentlichen Ordnung, der guten Sitten und der menschlichen Person.“[6]
Artikel 23 definiert die Familie als „Fundament der Gesellschaft“. In allen Angelegenheiten der Eheschließung, die „den freien Willen und das Einverständnis der Eheleute“ voraussetzt, untersagt er zudem die Diskriminierung „aufgrund der ethnischen Herkunft, der Hautfarbe, der Religionszugehörigkeit, der sozialen Stellung oder Herkunft sowie der Vermögensverhältnisse“.[7]
Glaubensgemeinschaften können sich beim Ministerium für Territorialverwaltung und Dezentralisierung registrieren lassen, sind aber nicht dazu verpflichtet. Für ihre Registrierung gelten dieselben rechtlichen Anforderungen wie für jede andere Organisation.[8]
Religionsunterricht ist an staatlichen Schulen nicht zugelassen. Es gibt allerdings muslimische, katholische und protestantische Grund- und Sekundarschulen sowie einzelne Hochschulen in privater Trägerschaft. Bildungseinrichtungen haben in Personalfragen freie Hand, wenngleich die Ernennung von Schulleitungen den Behörden gemeldet werden muss. Lehrpläne von Schulen in religiöser Trägerschaft werden von staatlicher Seite sowohl im Hinblick auf deren religiöse Prägung als auch auf die Einhaltung des regulären Bildungsprogramms geprüft. Im Falle von Koranschulen ist die staatliche Kontrolle allerdings nur eingeschränkt wirksam, da die meisten von ihnen nicht registriert sind.[9]
Im Jahr 2023 wies die Regierung muslimischen, katholischen, protestantischen und animistischen Gemeinschaften ein Budget von jeweils 127.000 Dollar zu. Bis zum Ende des Jahres hatte jedoch noch keine der Gemeinschaften die zugesagten Mittel erhalten.[10] Die finanzielle Unterstützung sollte eigentlich den Grundsatz der Gleichbehandlung verschiedener Religionsgemeinschaften unterstreichen.
Am 11. Oktober 2024 unterzeichneten der Heilige Stuhl und Burkina Faso in Ouagadougou das Zweite Zusatzprotokoll zu ihrem Abkommen von 2019 über den Rechtsstatus der Katholischen Kirche. Es trat unmittelbar in Kraft und erleichtert die Anerkennung öffentlicher kanonischer juristischer Personen nach burkinischem Recht, indem die Ausstellung entsprechender Rechtspersönlichkeitszertifikate ermöglicht wird. Die Maßnahme zielt darauf, den Auftrag der Kirche und ihren Beitrag zum Gemeinwohl zu stärken.[11] Mit dem ursprünglichen Abkommen – am 12. Juli 2019 im Vatikan unterzeichnet und nach seiner Ratifizierung am 7. September 2020 in Kraft getreten – wurden die Katholische Kirche und ihre Institutionen als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt und der Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat festgelegt.[12]
Vorfälle und Entwicklungen
Einst als Musterbeispiel für interreligiöse Harmonie in Westafrika gepriesen, erlebt Burkina Faso seit Ende 2015 einen dramatischen Sicherheitsverfall und gilt inzwischen als eines der Hauptzentren dschihadistischer Gewalt im Sahel. Extremistische Gruppen, die zunächst aus dem benachbarten Mali in den Norden des Landes eindrangen, haben ihre Präsenz nach und nach auf den Westen, die Mitte und den Osten des Landes ausgedehnt.[13]
Zu den in Burkina Faso aktiven Gruppierungen zählen der DAESH Westafrika (ISWAP) und die Dschamaat Nusrat al-Islam wal-Muslimin (JNIM), die mit al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQIM) verbunden ist. Im Jahr 2023 wies der Global Terrorism Index Burkina Faso als das weltweit am stärksten vom Terrorismus betroffene Land aus – eine Spitzenposition, die es auch 2024 behauptete.[14]
Inzwischen operieren verschiedene dschihadistische Fraktionen nahezu landesweit, wobei JNIM klar die dominierende Kraft darstellt, gefolgt von ISWAP und Ansarul Islam. Diese Gruppen unterhalten Verbindungen zu transnationalen dschihadistischen Netzwerken, üben aber auch hybride Formen der Gewalt aus, die ideologischen Extremismus mit lokalen Aufständen und organisierter Kriminalität verbinden. Der Konflikt hat sich durch Konfrontationen zwischen diesen bewaffneten Gruppen und den staatlichen Streitkräften, einschließlich der Armee und der regierungsfreundlichen Miliz Volunteers for the Defence of the Homeland (Freiwillige zur Verteidigung des Vaterlandes, VDP), weiter verschärft.[15]
2024 entfielen ein Fünftel aller weltweit verzeichneten Terroropfer auf Burkina Faso. Besonders betroffen waren der Norden und der Osten des Landes an der Grenze zu Niger. Von insgesamt 1.532 Todesopfern entfielen 682 auf die Regionen Mitte-Nord und Ost, wobei Mitte-Nord die höchste Zahl meldete. Der verheerendste Angriff ereignete sich im Dorf Barsalogho, rund 80 Kilometer von der Hauptstadt entfernt: JNIM-Kämpfer überfielen dort Zivilisten, die auf Anweisung des Militärs[16] ungeschützt Schützengräben aushoben. Die Dschihadisten töteten schätzungsweise 600 Menschen[17] und behaupteten später fälschlicherweise, ihre Opfer seien Kämpfer gewesen.[18]
In vielen ländlichen Gegenden üben dschihadistische Gruppen inzwischen die Kontrolle über weite Landstriche aus und setzen zunehmend auch Städte unter Druck, die bislang verschont geblieben waren.
Die Lage wird zusätzlich durch die anhaltende politische Instabilität verschärft. Nach dem Sturz von Präsident Blaise Compaoré im Jahr 2014 folgten zwei Staatsstreiche im Jahr 2022; der zweite brachte den Übergangspräsidenten Captain Ibrahim Traoré an die Macht. Traoré, der als Student einer marxistischen Vereinigung angehörte, präsentiert sich seit seiner Machtübernahme als wortgewandter Verfechter des Panafrikanismus und einer „anti-imperialistischen“ Ideologie.[19]
Burkina Faso hat seine internationalen Partnerschaften neu ausgerichtet und sich von den traditionellen westlichen Verbündeten zugunsten engerer Beziehungen zu Ländern wie China und Russland distanziert. Diese geopolitische Verschiebung trat deutlich zutage, als die Militärregierungen von Burkina Faso, Mali und Niger gemeinsam aus der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) austraten. ECOWAS hatte Burkina Faso bereits im Januar 2022 nach dem Putsch unter Oberstleutnant Paul-Henri Sandaogo Damiba suspendiert.[20] Im Juli 2024 bekräftigten die drei Staaten ihr Bündnis durch die Gründung der „Konföderation der Sahelstaaten“, die regionale Integration unter anderem durch die Schaffung einer Investitionsbank sowie durch Mechanismen für den freien Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr fördern soll. Zuvor war bereits im September 2023 die Allianz der Sahelstaaten (AES) ins Leben gerufen worden – ein Verteidigungspakt mit dem Ziel, die Terrorismusbekämpfung in der Region besser zu koordinieren.[21] Im Dezember 2024 kündigten Burkina Faso, Mali und Niger eine sechsmonatige Übergangsfrist für ihren Austritt aus ECOWAS an. Als offizielles Austrittsdatum wurde der 29. Januar 2025 festgelegt, während der Austritt zum 29. Juli 2025 vollzogen werden sollte. Trotz der Bemühungen von ECOWAS, die Entscheidung auf einem Gipfel in Abuja rückgängig zu machen, bekräftigten die drei militärisch geführten Regierungen ihren Ausstieg – ein Einschnitt mit erheblicher geopolitischer Tragweite in der Sahelzone, der zugleich die Hinwendung zu engeren Beziehungen mit Russland markiert.[22]
Während des Berichtszeitraums richteten sich zahlreiche Angriffe sowohl gegen militärische als auch gegen zivile Ziele, darunter auch gegen religiöse Gemeinschaften. Immer wieder wurden Geistliche entführt oder getötet. Die folgenden Beispiele veranschaulichen – wenn auch nicht erschöpfend – die Schwere und das Ausmaß dieser Vorfälle.
Am 2. Januar 2023 wurde Pater Jacques Yaro Zerbo, ein 66-jähriger Priester der Diözese Dédougou, auf der Straße zwischen Dédougou und Gassan von unbekannten bewaffneten Männern überfallen und getötet. Nach Angaben von Bischof Prosper Bonaventure Ky ereignete sich der Anschlag in einer der am stärksten von Gewalt betroffenen Regionen des Landes und sei von Terroristen verübt worden. Die Angreifer entwendeten auch das Fahrzeug des Priesters. Lokale Behörden stellten fest, dass er bereits der vierte Priester war, der in dieser Region ums Leben kam.[23]
Am 11. Januar 2023 überfielen dschihadistische Kämpfer die Ahmadiyya-Moschee in Goulgountou in der Sahel-Region. Die Angreifer kamen während des Abendgebets auf Motorrädern, verschafften sich gewaltsam Zutritt und trennten neun ältere Gläubige von der übrigen Gemeinde – unter ihnen der 67-jährige Imam Alhaj Boureima Bidiga. Die Männer wurden hingerichtet, weil sie sich weigerten, ihrem Glauben abzuschwören. Überlebende berichteten, die letzten Worte des Imams seien gewesen: „Wenn ihr mir den Kopf abschlagen wollt, dann könnt ihr das tun. Aber es ist unmöglich für mich, die Lehre der Ahmadiyya zu verleugnen.“ Die Angreifer warnten anschließend die verbliebenen Gläubigen, dass die Wiedereröffnung der Moschee den Tod zur Folge haben würde.[24]
Im Oktober 2023 zwangen Terroristen die christliche Bevölkerung des Dorfes Débé im Nordwesten Burkina Fasos zur Flucht, nachdem sie ihr ein 72-Stunden-Ultimatum gestellt hatten. Der Drohung vorausgegangen war die Ermordung zweier Jugendlicher, die den Pfadfindern angehörten. Sie wurden in der Dorfkirche getötet – mit der Begründung, Teil einer von den Dschihadisten verbotenen Gruppe zu sein und eine Anweisung missachtet zu haben, ein von den Dschihadisten kontrolliertes Gebiet nicht zu betreten. Bischof Prosper B. Ky aus Dédougou sprach von einem beispiellosen Vorgang: „Inzwischen wurde das ganze Dorf vertrieben, nicht nur die Mitglieder einer bestimmten Religion.“[25]
Am 25. Februar 2024 kamen bei einem Angriff auf eine Moschee in der Stadt Natiaboani im Osten von Burkina Faso, wo mehrere bewaffnete Gruppen aktiv sind, Dutzende Menschen ums Leben. Der Überfall ereignete sich während des Frühgebets. Islamistische Kämpfer hatten Berichten zufolge die Moschee umstellt und griffen auch lokale Soldaten und Mitglieder der Selbstverteidigungsmiliz „Freiwillige zur Verteidigung des Vaterlandes“ (VDP) an. Behörden bestätigten, dass die Opfer überwiegend muslimische Männer waren. In den lokalen Medien wurde die Attacke als massiver Angriff von Aufständischen auf Motorrädern mit Maschinengewehren beschrieben. Unter den Erschossenen war auch eine „wichtige religiöse Führungspersönlichkeit“.[26] Augenzeugen beschrieben das Geschehen als „Großangriff“ angesichts der Vielzahl der Angreifer und der verursachten Zerstörungen.[27]
Am selben Tag wie der Angriff auf die Moschee wurden bei einem Überfall auf eine katholische Kirche während der Sonntagsmesse in Essakane im Bistum Dori, gelegen in der „Dreiländerzone“ zwischen Burkina Faso, Mali und Niger, mindestens 15 Zivilisten getötet und zwei weitere verletzt. Pater Jean-Pierre Sawadogo, Vikar des Bistums Dori, bestätigte den Vorfall als „terroristischen Angriff“ während des Gebets. Zeitgleich nahmen die Angreifer auch mehrere Militäreinheiten im Osten und Norden des Landes ins Visier. Sicherheitsquellen berichteten, Hunderte von Aufständischen seien bei der Gegenoffensive ausgeschaltet worden. Schon zuvor hatten Dschihadisten wiederholt Moscheen und Imame attackiert. Die Gewalt forderte inzwischen über 20.000 Todesopfer und trieb mehr als zwei Millionen Menschen in die Flucht.[28]
Bischof Justin Kientega aus Ouahigouya schilderte einen besonders brutalen Überfall auf eine Wort-Gottes-Feier an einem Sonntagmorgen, bei dem zwölf Menschen getötet wurden, darunter zwei Kinder im Alter von vier und vierzehn Jahren. Er berichtete, dass bewaffnete Extremisten typischerweise auf Motorrädern auftauchten, strenge Vorschriften durchsetzten – etwa das Verbot von Schulen oder die Verpflichtung zur islamischen Kleidung – und mitunter auch öffentliche Hinrichtungen vollzogen, um Schrecken zu verbreiten. In vielen Regionen werden Bewohner gezwungen, ihre Dörfer endgültig zu verlassen. Christen, ohnehin schon in der Minderheit, sind besonders harten Einschränkungen ausgesetzt: In manchen Dörfern dürfen sie zwar beten, doch keine Katechesen abhalten; in anderen ist der Gottesdienst ganz verboten. Viele sind daher geflohen. In der Diözese von Bischof Kientega wurden zwei Pfarreien wegen der unsicheren Lage geschlossen, zwei weitere sind nicht zugänglich.[29]
Die terroristische Gewalt hat das kirchliche Leben in Burkina Faso schwer erschüttert und zahlreiche pastorale Aktivitäten zum Erliegen gebracht. Mit Stand Februar 2024 meldete die Bischofskonferenz von Burkina Faso und Niger die Schließung von mindestens 30 Pfarreien, vor allem im Norden und Osten des Landes.[30] Da bewaffnete Gruppen 40 bis 50 % des Landes kontrollieren, beschränken sich die Aktivitäten der Diözesen meist auf die Provinzhauptstädte. In der Diözese Dori zum Beispiel wurden drei von sechs Pfarreien geschlossen. Nach Angaben von Bischof Laurent Dabiré bitten Gemeindemitglieder ihre Priester oft selbst, die Orte zu verlassen, wenn es zu gefährlich wird.[31]
Im April 2024 wurde der Katechet Edouard Zoetyenga Yougbare nahe Saatenga im Bistum Fada N’Gourma im Osten des Landes entführt und getötet. Nach Angaben lokaler Quellen stand die Tat jedoch im Zusammenhang mit einem Landkonflikt mit Fulani-Hirten und nicht mit religiösen Motiven. Mehrere weitere Personen wurden von der bewaffneten Gruppe verschleppt, darunter ein weiterer Katechet, Jean Marie Yougbare. Er wurde zunächst festgehalten, dann aber freigelassen, nachdem die Angreifer erkannten, dass er sie einst während eines Gewitters bei sich aufgenommen hatte.[32]
Ende August 2024 wurden im Zentrum von Burkina Faso mindestens 100 Dorfbewohner und Soldaten getötet, als JNIM-Kämpfer die Gemeinde Barsalogho angriffen, die etwa 80 km von der Hauptstadt entfernt liegt. Der Überfall – einer der verheerendsten des Jahres – richtete sich gegen Dorfbewohner, die von Sicherheitskräften gezwungen worden waren, Schützengräben auszuheben. Al-Qaida reklamierte den Anschlag für sich und erklärte, man habe „die vollständige Kontrolle über eine Milizstellung“ in Kaya, einer strategisch wichtigen Stadt für die Aufstandsbekämpfung, erlangt. Von Sicherheitsexperten ausgewertete Videos zeigten Leichen, die in der Nähe der Gräben aufgehäuft waren.[33]
Nur einen Tag nach dem Massaker von Barsalogho töteten Dschihadisten 26 Menschen in einer Kirche im Dorf Sanaba im Bistum Nouna (West-Burkina-Faso). Am 25. August 2024 umzingelten Aufständische das Dorf, versammelten die Bevölkerung und trennten alle männlichen Christen (Katholiken wie Protestanten), Anhänger traditioneller Religionen sowie alle, die als Gegner der dschihadistischen Ideologie galten, ab einem Alter von zwölf Jahren von den übrigen Dorfbewohnern. Die 26 Männer wurden in eine nahegelegene protestantische Kirche gebracht und dort durch Kehlschnitt hingerichtet. In den folgenden Tagen griffen die Dschihadisten zudem drei benachbarte katholische Pfarreien an, was zur Flucht von rund 5.000 Frauen und Kindern nach Nouna führte. Zwischen Mai und August 2024 wurden im Pastoralbezirk Zekuy-Doumbala Berichten zufolge etwa 100 Christen getötet und weitere verschleppt.[34]
Ein Bericht von Human Rights Watch vom September 2024 dokumentierte die zunehmende Gewalt islamistischer Gruppen in Burkina Faso. Mit al-Qaida und DAESH verbundene Milizen hätten, so der Bericht, „Dorfbewohner, Vertriebene und christliche Gläubige massakriert“.[35]
Gleichzeitig verzeichnete Human Rights Watch auch großangelegte Massaker an Zivilisten durch die Armee selbst. Im Februar 2024 wurden in den Dörfern Soro und Nondin 223 Menschen getötet, darunter mindestens 56 Kinder.[36] Ein Überlebender berichtete, das Militär habe die Dorfbewohner beschuldigt, Informationen über Bewegungen von Dschihadisten zurückgehalten zu haben. Im Mai 2025 starben mindestens 130 weitere Zivilisten bei einem Massaker durch Spezialkräfte der Armee nahe der westlichen Stadt Solezno.[37]
Da JNIM zahlreiche Fulani in seine Reihen aufgenommen hat, nahmen die vom Militär unterstützten „Freiwilligen zur Verteidigung des Vaterlandes“ (VDP) ihrerseits Fulani-Zivilisten ins Visier. So kam es zu Tötungen in der Hauptstadt Ouagadougou und in Bobo-Dioulasso, der zweitgrößten Stadt des Landes, sowie zum Massaker an 31 Mitgliedern von Fulani-Familien in der nordwestlichen Stadt Nouna.[38]
Es ist wahrscheinlich, dass weitere Gräueltaten durch Armee und Milizen verübt wurden, da die Militärjunta versucht, eine Nachrichtenblockade durchzusetzen: Journalisten wurden ausgewiesen, Nachrichtenagenturen blockiert – insbesondere jene, die über Exekutionen von Zivilisten durch die Armee berichtet hatten. Im März 2023 setzte die Regierung die Sendungen von France 24 „bis auf Weiteres“ aus, nachdem sie bereits im Dezember 2022 die Sendungen von Radio France International eingestellt hatte. Reporter ohne Grenzen verurteilte diese Maßnahmen als „neuen Angriff auf das Recht zu informieren“.[39]
Im April 2023 wies die Regierung zwei Journalistinnen – Sophie Douce von Le Monde und Agnès Faivre von Libération – an, das Land innerhalb von 24 Stunden zu verlassen. Libération hatte zuvor über ein Video recherchiert, das die Erschießung von Kindern und Jugendlichen in einer Militärkaserne zeigte, wobei mindestens ein Soldat sichtlich mit den Vorgängen haderte.[40] Al Jazeera zitierte Reporter ohne Grenzen mit der Einschätzung, die Regierung gehe gegen die Medien vor, um „ihre Übergriffe zu verschleiern“.[41]
Im April 2024, nach den Massakern der Armee in Soro und Nondin, sperrte die Militärjunta den Zugang zu mehreren internationalen Nachrichtenportalen, die darüber berichtet hatten – darunter Deutsche Welle, Le Monde, The Guardian, TV5 Monde, die BBC und Voice of America.[42]
Am Sonntag, dem 6. Oktober 2024, griffen Dschihadisten die Stadt Manni in der Ostregion an und attackierten dabei insbesondere einen Markt, auf dem sich zahlreiche Christen nach der Messe versammelt hatten. Die Gewalt erstreckte sich über drei Tage, erfasste auch medizinisches Personal und endete in einem Massaker an Männern, die in der Stadt verblieben waren. Örtliche Quellen schätzen, dass über 150 Zivilisten – sowohl Christen als auch Muslime – getötet wurden. Bischof Pierre Claver Malgo von Fada N’Gourma verurteilte die Gräueltat als „barbarisch“, beklagte den Angriff auf die Menschenwürde und rief die Gläubigen zu Einheit und Hoffnung auf.[43]
Am 25. Januar 2025 gerieten vier Katecheten der Pfarrei Ouakara im Bistum Dédougou bei Bondokuy in einen Hinterhalt, als sie von einer Fortbildung für den katechetischen Dienst zurückkehrten. Die Gruppe war auf zwei Motorrädern unterwegs, als sie von zwei Bewaffneten angegriffen wurde: Die beiden auf dem ersten Motorrad konnten in den Wald fliehen, die beiden anderen wurden später brutal ermordet aufgefunden. Der Polizeichef von Bondokuy erklärte, dies sei bereits der vierte Mord dieser Art in der Region, und führte die Tat auf bewaffnete Banden zurück, die sich als Terroristen ausgäben, um ihre Gewaltakte zu rechtfertigen und Angst zu verbreiten.[44]
Trotz der anhaltenden extremistischen Gewalt gab es auch Zeichen der Einheit.
Im April 2023 versammelten sich zahlreiche junge Muslime und Christen in Ouagadougou bei Sonnenuntergang, um gemeinsam das Fasten zu brechen. Die Begegnung, die sowohl in die Zeit des Ramadan als auch der Fastenzeit fiel, sollte die religiöse Toleranz angesichts der anhaltenden Unruhen fördern. Bei der von einer lokalen interreligiösen Jugendgruppe organisierten Veranstaltung wurden das gemeinsame Mahl und Gebet als symbolischer Akt der Einheit gegen militante Kräfte begangen, die versuchen, ethnische und religiöse Spaltungen auszunutzen.[45]
Am 17. Juni 2023 feierten Burkina Faso und der Heilige Stuhl das 50-jährige Bestehen ihrer diplomatischen Beziehungen. Bei einer Zeremonie in Rom bezeichnete Jean Marie Karamoko Traoré, delegierter Minister für regionale Zusammenarbeit, die Katholische Kirche als „untrennbar“ mit der Entwicklung des Landes verbunden und würdigte ihren Beitrag in Bildung, Katechese sowie in der Stärkung von Jugendlichen und Frauen. Zugleich dankte er der Kirche für ihre Solidarität während der anhaltenden Sicherheitskrise und betonte: „Seit Beginn der Terrorangriffe erfahren wir die Solidarität, das Mitgefühl und das Zeugnis der Liebe der Kirche.“[46]
Am 3. Oktober 2024 verabschiedete Übergangspräsident Ibrahim Traoré den Apostolischen Nuntius, Msgr. Michael Francis Crotty, nach Beendigung seiner Mission. Msgr. Crotty dankte für die herzliche Aufnahme, die ihm während seiner vierjährigen Amtszeit zuteilwurde, und äußerte sich zufrieden mit seiner religiösen Mission als päpstlicher Vertreter. Er übermittelte die Grüße und die geistliche Unterstützung von Papst Franziskus an die Bevölkerung Burkina Fasos, insbesondere an alle von Terrorismus Betroffenen, und bekräftigte das Engagement der Katholischen Kirche für die Entwicklung des Landes – vor allem im Bildungs- und Gesundheitswesen.[47]
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Die Aussichten für die Religionsfreiheit in Burkina Faso bleiben äußerst besorgniserregend. Das Land durchlebt eine der schwersten humanitären Krisen weltweit, verursacht durch tief verwurzelte Unsicherheit, weitverbreitete Armut und institutionelle Fragilität. Mehr als zwei Millionen Menschen sind innerhalb des Landes vertrieben[48] – viele unmittelbar infolge religiös motivierter Gewalt. Sowohl christliche als auch muslimische Gemeinden wurden von verheerenden dschihadistischen Anschlägen getroffen, zunehmend auch während der Gebete in ihren Gotteshäusern. Religiöse Führungspersönlichkeiten werden regelmäßig entführt oder getötet, häufig ohne, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Trotz offizieller Verlautbarungen, die Fortschritte nahelegen, ist es der Regierung bislang nicht gelungen, ein grundlegendes Maß an Sicherheit wiederherzustellen oder das Recht auf freie Religionsausübung zu schützen – was ernste Befürchtungen für die kommenden zwei Jahre aufwirft.
Quellen