Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiert die Religionsfreiheit als Grundrecht und legt in Artikel 3 fest, dass niemand aufgrund seines Glaubens oder seiner religiösen Überzeugungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Artikel 4 der Verfassung schützt die Glaubens- und Gewissensfreiheit, die freie Religionsausübung und das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus religiösen Gründen.[1]
Artikel 140 des Grundgesetzes greift Bestimmungen der Weimarer Verfassung auf, mit denen das Verhältnis zwischen Kirche und Staat geregelt wird.[2] Diesem Artikel zufolge gibt es keine Staatsreligion und Religionsgemeinschaften können sich frei organisieren.[3] Um in den Genuss von Steuerbefreiungen zu kommen, können Religionsgemeinschaften eine Eintragung als Körperschaft des öffentlichen Rechts beantragen. Wird ihnen dieser Status gewährt, können sie Religionsunterricht an staatlichen Schulen erteilen und Seelsorger in Gefängnissen und Krankenhäusern ernennen.[4] Religionsunterricht oder alternativ Ethikunterricht wird bundesweit an öffentlichen Schulen angeboten. Zudem können Religionsgemeinschaften Privatschulen gründen, wenn diese die länderspezifischen Lehrplananforderungen erfüllen.[5]
Laut Grundgesetz liegt die Entscheidung darüber, ob einer Organisation der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zuerkannt wird, bei den einzelnen Bundesländern; als Kriterien gelten dabei u. a. die Größe der Gemeinschaft, ihr Tätigkeitsbereich sowie die Achtung der Verfassungsordnung und der Grundrechte. Etwa 180 Religionsgemeinschaften sind in Deutschland als Körperschaften des öffentlichen Rechts eingetragen, einschließlich der Römisch-Katholischen Kirche, der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Bahai, Baptisten, Christlichen Wissenschaft, Zeugen Jehovas, Juden, Mennoniten, Methodisten, der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, der Heilsarmee und der Siebenten-Tags-Adventisten. Neben der muslimischen Gemeinschaft der Ahmadiyya, die in zwei Bundesländern als Körperschaft des öffentlichen Rechts registriert ist, wurden eine Sufi-Schule und die Alevitische Gemeinde Deutschland als solche anerkannt.[6]
Paragraf 130 des Strafgesetzbuches verbietet die gegen religiöse Gruppierungen gerichtete Anstiftung zum Hass und die Verbreitung von Inhalten, die zum Hass aufstacheln. Ebenso ist es gesetzeswidrig, die freie Religionsausübung oder Gottesdienste zu stören (§ 167 StGB).[7]
In einem Urteil aus dem Jahr 2017 befand das Bundesverfassungsgericht, dass ein generelles Kopftuchverbot für Lehrkräfte an staatlichen Schulen die Religionsfreiheit verletze; es liege jedoch im Ermessen der einzelnen Bundesländer, ein solches Verbot aus triftigem Grund auszusprechen.[8] Diese Regelung wird in jedem Bundesland unterschiedlich umgesetzt: Manche Länder entscheiden auf Einzelfallbasis, in anderen gelten an bestimmte Bedingungen geknüpfte Verbote oder Ausnahmen.
2021 trat ein Bundesgesetz in Kraft, welches in bestimmten Fällen ermöglicht, das Tragen religiöser oder ideologischer Symbole im öffentlichen Dienst zu untersagen. Dies gilt insbesondere in Bereichen staatlicher Hoheitsgewalt und damit zum Beispiel für Richter und Polizisten.[9] Die genannten Verbote sind laut Gesetz nur zulässig, wenn damit reibungslose Abläufe in der öffentlichen Verwaltung sichergestellt werden. Auch kann das Tragen religiöser Symbole im öffentlichen Dienst nur dann eingeschränkt werden, wenn diese „das Vertrauen in die neutrale Amtsausübung nach objektiven Maßstäben schmälern könnten“.[10] In Berlin verbietet das Neutralitätsgesetz Beamten seit 2005, religiöse Symbole oder Bekleidung im Dienst zu tragen.[11]
2021 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Arbeitgeber sichtbare religiöse Symbole (z. B. Kopftücher) unter bestimmten Umständen verbieten können. Das Verbot kann im Rahmen der Beschäftigungspolitik für alle Mitarbeiter ausgesprochen werden, wenn damit die Neutralität am Arbeitsplatz gewährleistet werden soll.[12]
Seit Dezember 2023 muss in allen öffentlichen Gebäuden in Bayern ein christliches Kreuz hängen. Diese Vorschrift wird von Kritikern als politischer Akt der Spaltung empfunden.[13]
Nach dem Terroranschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ergriff die Bundesregierung gezielte Maßnahmen, um die besorgniserregende Zunahme antisemitischer Tendenzen zu bekämpfen. Im Juli 2024 wurde das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) und die mit ihm verbundene Blaue Moschee vom Bundesinnenministerium wegen der Verbreitung extremistischer Ideologien und Antisemitismus geschlossen. Bei einer der größten Maßnahmen der letzten Jahre zur Bekämpfung von Islamismus führte die Polizei Razzien in der Hamburger Moschee und 53 weiteren Einrichtungen im ganzen Land durch.[14]
Unter dem Titel „Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“ legte die Bundesregierung im November 2024 einen parteiübergreifenden Antrag zur Bekämpfung von Antisemitismus vor. In diesem Zusammenhang sollten staatliche Förderungen von Organisationen gestrichen werden, die antisemitische Inhalte verbreiten, das Existenzrecht Israels in Frage stellen oder die BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestition und Sanktionen) unterstützen. Neben der Forderung verstärkter Bildungsmaßnahmen wurde im Antrag die von der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken (IHRA) festgelegte Definition von Antisemitismus anerkannt.[15] Diese Initiative signalisierte angesichts zunehmender Vorfälle im Land eine entschiedene Positionierung gegen Antisemitismus. Allerdings wurden damit auch Debatten über mögliche Auswirkungen auf Grundfreiheiten ausgelöst. Während der Antrag von etlichen jüdischen Organisationen begrüßt wurde, gab es auch Kritiker, darunter zivilgesellschaftliche Organisationen, Rechtsexperten, Politiker und prominente jüdische Intellektuelle. Die Kritiker sehen die Gefahr, dass auch berechtigte Kritik an der Politik Israels mit Antisemitismus gleichgesetzt werden könnte, wodurch die Meinungsfreiheit und der akademische Diskurs eingeschränkt würden.[16]
Seit 2021 finden in Deutschland gerichtliche Auseinandersetzungen über das Verbot stiller Gebete in der Nähe von Abtreibungskliniken statt. Im Juni 2023 entschied das Bundesverwaltungsgericht Leipzig, dass ein generelles Verbot friedlicher Mahnwachen vor Abtreibungskliniken gegen das verfassungsmäßige Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit verstößt. Organisationen wie 40 Days for Life (40 Tage für das Leben) sehen sich durch dieses Urteil in ihrem Recht bestärkt, stille Mahnwachen in der Nähe entsprechender Einrichtungen abzuhalten.[17]
Dennoch legte Bundesfamilienministerin Paus im Januar 2024 einen Gesetzentwurf vor, um bundesweit „Zensurzonen“ im Umfeld von Abtreibungseinrichtungen einzuführen. Laut Gesetzesvorlage sollten innerhalb dieser Zonen friedliche Meinungsbekundungen, die subjektiv als „störend“ oder „irritierend“ wahrgenommen werden könnten, sowie stille Gebete und Hilfsangebote unter Strafe gestellt und mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro belegt werden. Kritiker des Entwurfs waren der Auffassung, dass dieser im Widerspruch zum Gerichtsurteil von 2023 stehe und Grundfreiheiten einschränke.[18] Im Juli 2024 wurde das Gesetz von der Bundesregierung verabschiedet und entsprechende Zensurzonen in Kraft gesetzt. Laut Menschenrechtsaktivisten verstößt das neue Gesetz gegen demokratische Grundsätze und individuelle Rechte, da die Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit bestimmter Menschen ohne ausreichende Begründung und entgegen den Bestimmungen des Grundgesetzes eingeschränkt werde.[19]
Vorfälle und aktuelle Entwicklungen
Im Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) von 2023 werden 1.250 „politisch motivierte Straftaten mit religiösem Hintergrund“ dokumentiert; damit wurde ein massiver Anstieg gegenüber 2022 (418 Straftaten) verzeichnet. Die meisten der Straftaten wiesen einen islamistischen Hintergrund auf (878). Das BKA identifizierte 492 antisemitische Straftaten, darunter 22 Gewalttaten und 167 Fälle von Aufstachelung zu Hass und Gewalt Laut Verfassungsschutzbericht besteht eine Verbindung zwischen dem Anstieg antisemitischer Straftaten und dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober 2023.[20]
Im Bericht des Bundeskriminalamts (BKA) über „Politisch motivierte Kriminalität im Jahr 2023“ werden deutschlandweit 5.164 antisemitische Straftaten und damit ein Anstieg von 95 % gegenüber dem Vorjahr (2.641 Fälle) angeführt.[21] Während 277 christenfeindliche Hassverbrechen stattfanden (gegenüber 135 im Jahr 2022), verzeichneten muslimfeindliche Hassverbrechen einen Anstieg von 140 % (von 610 auf 1.464 Fälle). Zudem wurden 74 Hassverbrechen gegen andere Religionsgemeinschaften begangen. [22]
Von den antisemitischen Straftaten, darunter 148 Gewaltverbrechen (gegenüber 88 im Jahr 2022) und 91 Fälle von Körperverletzung (2022: 61), wurden 58,75 % aus rechtsextremen Motiven begangen. Mehr als die Hälfte der Vorfälle fand nach dem von der Hamas am 7. Oktober 2023 verübten Angriff auf Israel statt.[23] Auch muslimfeindliche Hassverbrechen, von denen 82,72 % rechtsextrem motiviert waren, nahmen dramatisch zu. Mit 93 Vorfällen (darunter 87 Fälle von Körperverletzung) hat sich die Anzahl der Gewaltverbrechen beinahe verdoppelt.[24]
Der BKA-Bericht meldete ferner 4.369 politisch motivierte Straftaten, die in Zusammenhang mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt begangen wurden. Im Vergleich zu 61 Vorfällen im Jahr 2022 wurde damit ein drastischer Anstieg verzeichnet. 63,86 % dieser Taten waren ideologisch, 19,89 % religiös motiviert. Der Anteil der Gewaltverbrechen belief sich auf 5,1 % (223 Fälle gegenüber 14 im Vorjahr). Dabei handelte es sich vorwiegend um Widerstandshandlungen (96 Vorfälle) und um Fälle von Körperverletzung (89 Vorfälle). 1.927 der gemeldeten Straftaten waren antisemitisch motiviert, wovon 1.847 Vorfälle nach dem 7. Oktober 2023, dem Angriff der Hamas auf Israel, stattfanden. Insgesamt wurden 97 % der Straftaten, die in Verbindung mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt stehen, nach dem 7. Oktober verübt.[25]
Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e. V. (RIAS) dokumentierte 4.782 Fälle von Antisemitismus und damit einen Anstieg von über 80 % gegenüber dem Vorjahr. Dabei fällt auf, dass mehr als die Hälfte der Vorfälle nach dem Anschlag der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 stattfand. Zu den dokumentierten Vorfällen gehören sieben extreme Gewalthandlungen, 121 Angriffe, 329 Fälle von Sachbeschädigung und fast 200 Fälle von Bedrohung.[26] Laut RIAS sorgt diese Entwicklung dafür, dass ein freies und unbeschwertes Leben für Juden in Deutschland immer schwieriger wird.[27]
Im Berichtszeitraum fand unter anderem ein Brandanschlag auf eine Synagoge in Berlin Mitte statt. Am 18. Oktober 2023 wurden zwei Molotowcocktails auf das Gebäude geworfen.[28] Der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz verurteilte den Anschlag mit folgenden Worten: „Antisemitismus ist in Deutschland fehl am Platz.“[29] Im Februar 2024 wurde in Berlin ein jüdischer Schüler von einem Mitschüler bei einem Streit über den israelisch-palästinensischen Konflikt angegriffen und musste mit Knochenbrüchen im Gesicht ins Krankenhaus eingeliefert werden.[30] Diese Vorfälle verdeutlichen, dass sich die Lage in Deutschland in Bezug auf antisemitische Gewalthandlungen angesichts der Ereignisse im Nahen Osten dramatisch verschärft hat.
Der von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) für 2023 veröffentlichte Bericht über Hassverbrechen dokumentiert 1.077 antisemitische Vorfälle, die von zivilgesellschaftlichen Organisationen gemeldet wurden. Laut Bericht fanden 183 gewalttätige Angriffe auf Personen, 391 Bedrohungen und 503 Sachbeschädigungen statt. 104 christenfeindliche Vorfälle wurden registriert, davon sechs gewalttätige Angriffe auf Personen, 29 Fälle von Bedrohung und 69 Fälle von Sachbeschädigung. Bei den 95 muslimfeindlichen Vorfällen handelte es sich in 35 Fällen um Angriffe auf Personen, in 31 Fällen um Bedrohungen und in 29 Fällen um Sachbeschädigungen.[31]
Die CLAIM-Allianz, ein Netzwerk aus Nichtregierungsorganisationen zur Bekämpfung von Islam- und Muslimfeindlichkeit, verzeichnete 2023 1.926 muslimfeindliche Vorfälle und damit mehr als doppelt so viele Fälle wie im Vorjahr (898 Fälle). Dies entspricht einem Anstieg von 114 %. CLAIM zufolge steht dieser Zuwachs mit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 in Zusammenhang.[32] Zu den Vorfällen gehörten ein versuchter Brandanschlag auf eine Moschee in Bochum (diese war zuvor mit einem Hakenkreuz beschmiert worden), Schüsse auf die Haustür einer muslimischen Familie durch einen rechtsextremen Täter und der Anschlag auf eine Frau in Berlin, die auf die Bahngleise gestoßen wurde, nachdem sie über eine Mitgliedschaft bei der Hamas befragt worden war.[33] Laut CLAIM-Bericht fanden Angriffe auf Einzelpersonen vorwiegend in Form von verbalen Beleidigungen statt, die sich hauptsächlich gegen Frauen richteten. Doch wurden auch vier Mordversuche begangen.[34]
Als Reaktion auf diese Entwicklung veröffentlichte das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) 2024 einen Bericht, in dem es seine Besorgnis über zunehmend muslimfeindliche Tendenzen im Zuge der verschärften Lage im Nahen Osten zum Ausdruck brachte. Das DIMR forderte in seinem Bericht Politiker und Medien dazu auf, von gefährlichen Verallgemeinerungen abzusehen, die Diskriminierungen auslösen können.[35] Ebenso kritisierte Human Rights Watch (HRW), dass Deutschland „Muslime und Menschen, die als solche wahrgenommen werden, angesichts zunehmender Fälle von Hass und Diskriminierung nicht ausreichend vor Rassismus schütze“.[36]
Im November 2024 unterzeichnete die Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, eine gemeinsame Erklärung von Vertretern der EU-Mitgliedsstaaten, mit der diese ihre Besorgnis über die Zunahme muslimfeindlicher Vorfälle zum Ausdruck brachten.[37] Human Rights Watch wertete dies als positiven Schritt zur Verbesserung des Schutzes von Muslimen in Deutschland.[38]
Die Organisation Brandeilig, eine Initiative zur Vertretung muslimischer Interessen, meldete 79 Angriffe auf Moscheen im Jahr 2023 und 15 im Jahr 2024. So wurden im Januar 2024 Briefe und E-Mails mit Hassbotschaften an Moscheen versandt[39] und im Mai 2023 Brandanschläge in Hannover[40] und Dresden[41] verübt.
Die Beobachtungsstelle für Intoleranz gegenüber und Diskriminierung von Christen in Europa (OIDAC Europe) registrierte 180 christenfeindliche Hassverbrechen im Berichtszeitraum, darunter Brandstiftung, Sachbeschädigung (u. a durch Hassgraffiti), Diebstahl religiöser Gegenstände und körperliche Übergriffe.[42]
Am 10. Februar 2023 wurde die historische Kreuzerhöhungskirche in Wissen bei einem Brandanschlag schwer beschädigt. Ein 39-jähriger Mann entweihte religiöse Symbole und setzte den Hochaltar in Brand, der dadurch zerstört wurde.[43] Ein weiterer Brandanschlag wurde im August 2023 in Großröhrsdorf verübt, wo eine evangelische Kirche vollständig niederbrannte. Nachdem die Kriminalpolizei Brandstiftung als Ursache ermittelt hatte, wurde ein Verdächtiger festgenommen und verurteilt.[44]
Im April 2023 kam das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen in einer Studie zu dem Schluss, dass sich christliche Kinder an bestimmten Schulen dazu gezwungen sahen, zum Islam zu konvertieren, um den Schikanen der dortigen mehrheitlich muslimischen Schülerschaft zu entgehen.[45]
Ein im Mai 2023 von der Süddeutschen Zeitung veröffentlichter Bericht machte auf die zunehmenden Sachbeschädigungen in bayerischen Kirchen aufmerksam. Dem Bayerischen Landeskriminalamt zufolge ist die Zahl der Sachbeschädigungen in Kirchen, Kapellen und Klöstern von 219 Fällen im Jahr 2019 auf 294 Fälle im Jahr 2022 angestiegen. Während die Zahl der Diebstähle in Kirchen zurückgegangen ist, zeigten sich die Behörden angesichts der zunehmenden Schwere der Sachbeschädigungen alarmiert.[46]
Aufgrund dieser beunruhigenden Entwicklung haben viele Kirchen in Deutschland zum eigenen Schutz beschlossen, ihre Öffnungszeiten ausschließlich auf die Dauer der Gottesdienste zu beschränken. Die St.-Marien-Kirche in Ahlen bleibt zum Beispiel aufgrund wiederholter Fälle von Vandalismus außerhalb der Gottesdienstzeiten geschlossen. Darauf weist ein Schild an der Kirchentür mit der Aufschrift „Wegen Vandalismus zurzeit geschlossen“ hin.[47] Auch die Petruskirche in Waltrop sah sich mit mehreren Fällen von Vandalismus konfrontiert. Neben einer Beschädigung der Orgel wurde in der Kirche uriniert und es wurden Fäkalien hinterlassen. Momentan ist die Kirche nur für Gottesdienste geöffnet und an Weihnachten 2024 wurde die Krippe an einer anderen Stelle in der Kirche aufgebaut.[48] Auch wenn diese Schließungen als Schutzmaßnahmen für die Kirchen veranlasst wurden, werden Gläubige damit unbeabsichtigt davon abgehalten, außerhalb der Gottesdienste in der Kirche zu beten oder Andacht zu halten. Deshalb sind viele Deutsche in ihrer freien Religionsausübung eingeschränkt. Im Dezember 2023 wurde die St.-Marien-Kirche in Köln mit Hassbotschaften wie „666“ und „Allah Akbar“ beschmiert.[49] Zur selben Zeit deckte die Polizei Pläne für einen Bombenanschlag auf den Kölner Dom auf. Laut örtlichen Medien sollte der Anschlag mit einem mit Sprengstoff beladenen Fahrzeug erfolgen. Zwischen dem 26. und 31. Dezember 2023 wurden fünf Männer mit mutmaßlich islamistischem Hintergrund verhaftet.[50]
Im Februar 2024 wurde Jalil Mashali, ein zum Christentum konvertierter Taxifahrer aus Essen, mit einer Geldstrafe von 88,50 Euro belegt, weil er an der Heckscheibe seines Fahrzeugs einen kleinen Aufkleber mit der Aufschrift „Jesus – Ich bin der Weg. Die Wahrheit. Und das Leben“ angebracht hatte. Die Stadtverwaltung stufte dies als unzulässige „religiöse Werbung“ in öffentlichen Verkehrsmitteln ein.[51] Mashali rechtfertigte den Aufkleber als persönliche Glaubensbekundung. Die Geldstrafe wurde fallen gelassen, als der Taxifahrer seine Arbeit wechselte.[52]
Im August 2024 griff ein syrischer Mann bei einem Stadtfest in Solingen mehrere Menschen mit dem Messer an. Die Terrororganisation Islamischer Staat bekannte sich zu der Tat, die sich nach deren Bekunden gegen Christen gerichtet habe. Bei dem Anschlag wurden drei Menschen getötet und acht verletzt.[53]
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und die ländereigenen Verfassungsschutzbehörden beobachten bestimmte muslimische Gruppierungen, die im Verdacht stehen, extremistische Ziele zu verfolgen.[54] Einige von ihnen, wie der Islamische Staat, die Hamas und die Hisbollah, wurden von verschiedenen Ländern und internationalen Organisationen als terroristische Vereinigungen eingestuft.[55] Laut Schätzung des BfV gehörten 2023 in Deutschland 2.380 Personen islamistischen Gruppierungen an.[56]
Am 20. Dezember 2024 kam es zu einem weiteren gravierenden Vorfall auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt, als ein SUV absichtlich in eine Menschenmenge raste. Bei dem Anschlag kamen sechs Menschen ums Leben, darunter ein neunjähriges Kind. Mindestens 299 Menschen wurden verletzt. Als Tatverdächtiger wurde Taleb Al-Abdulmohsen am Tatort festgenommen, ein 50-jähriger Mann aus Saudi-Arabien, der seit 2006 in Deutschland lebt und 2016 Asyl erhielt. Im Gegensatz zu den Tätern bei früheren Anschlägen dieser Art war Al-Abdulmohsen für seine islamfeindlichen Ansichten und als Anhänger rechtsextremer Ideologien bekannt.[57]
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Auch wenn die Religionsfreiheit in Deutschland per Grundgesetz gewahrt wird und Religionsgemeinschaften einen umfassenden rechtlichen Schutz genießen, zeigt sich angesichts der jüngsten Entwicklung, dass die Herausforderungen im Land zunehmen. Im Berichtszeitraum wurde ein Anstieg von antisemitischen sowie muslim- und christenfeindlichen Vorfällen verzeichnet. Diese sind das Ergebnis zunehmender Spannungen und einer gesellschaftlichen Spaltung. Als Reaktion darauf ergriff die Bundesregierung verstärkte Maßnahme zur Bekämpfung von Antisemitismus und Extremismus und bekräftigte damit ihr Engagement zur Wahrung der Religionsfreiheit.
Allerdings besteht die Sorge, dass rechtliche Einschränkungen, wie Verbote von religiösen Symbolen im öffentlichen Dienst und die teilweise eingeschränkte Religionsausübung im öffentlichen Raum, möglicherweise einen unverhältnismäßigen Eingriff in individuelle Freiheiten darstellen. Die Einführung von Sperrzonen im Umfeld von Abtreibungskliniken, in denen religiöse Handlungen wie stille Gebete unter Strafe gestellt werden, löste eine Debatte darüber aus, wie die Wahrung der öffentlichen Ordnung und die Gewährleistung von Grundfreiheiten in Einklang gebracht werden können. Die Schließung mancher Kirchen aufgrund von Vandalismus und Anschlägen schränkt zudem den Zugang zu religiösen Orten und damit die Religionsausübung vieler Deutscher ein. Angesichts dieser vielschichtigen Herausforderungen sind Politiker und Gesellschaft in Deutschland gefordert, die Sicherheit, den sozialen Zusammenhalt und die Religionsfreiheit gleichermaßen zu gewährleisten.
Quellen