Dschibuti
Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Laut seiner 2010 überarbeiteten Verfassung ist Dschibuti eine „demokratische, souveräne, vereinte und unteilbare Republik“, in der alle Bürger gleich sind, ungeachtet von „Sprache, Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht oder Religion“ (Artikel 1).[1] Der Islam ist die Staatsreligion des Landes und 94 % der Bevölkerung sind sunnitische Muslime. Das Ministerium für Islamische Angelegenheiten und Waqfs (fromme Stiftungen) ist für die Überwachung religiöser Angelegenheiten zuständig.[2] Dass der Islam eine hervorgehobene Rolle in der dschibutischen Gesellschaft spielt wird auch dadurch deutlich, dass die Verfassung zu seinen Gunsten verändert wurde. In der Verfassung von 1992[3] war der Islam in der Präambel als Staatsreligion anerkannt. Mit der Revision in 2010 wurde dann in Artikel 1 seine Vorrangstellung verankert.[4]
Artikel 6 beider Versionen der Verfassung untersagt es politischen Parteien, sich mit einer Ethnie, einem Geschlecht, einer Sekte, religiösen Gemeinschaft, Sprache oder Region zu identifizieren. Artikel 11 garantiert zudem jedem Menschen „das Recht auf Gedanken-, Gewissens-, Religions-, Kultus- und Meinungsfreiheit, solange die durch das Gesetz und Vorschriften festgelegte Ordnung gewahrt wird“.[5] Nichtsdestotrotz schränkt die Regierung das Recht auf Meinungsfreiheit erheblich ein. Journalisten sehen sich daher zur Selbstzensur gezwungen, da ihnen strafrechtliche Konsequenzen drohen, sollten sie sich kritisch über den Präsidenten oder die Regierungspartei Union pour la majorité présidentielle (Union für eine Präsidiale Mehrheit, UMP) äußern.[6] Die Medien, darunter Radio, Zeitungen und Fernsehsender, unterliegen einer strengen staatlichen Überwachung. Zudem befinden sich die führende Zeitung, die wichtigsten Fernseh- und Radiosender sowie die zentrale Druckerei in staatlichem Besitz.[7]
Für das Amt des Präsidenten gibt es in Dschibuti keine Amtszeitbegrenzung; der amtierende Präsident ist bereits seit 1999 an der Macht, obwohl Dschibuti nach außen hin ein Mehrparteiensystem wahrt.
Missionierung ist laut dschibutischer Verfassung nicht ausdrücklich verboten, öffentliche Missionierung hingegen untersagt.[8] Gleichzeitig ist laut Gesetz auch keine Bestrafung für Personen vorgesehen, die sich nicht an islamische Regeln halten oder sich zu einer anderen Religion bekennen.
Mit einem im Oktober 2014 erlassenen Gesetz erhielt das Ministerium für Islamische Angelegenheiten weitreichende Befugnisse über die Moscheen des Landes sowie die Inhalte öffentlicher Gebete.[9] Zu den Zuständigkeiten des Ministeriums zählen auch private konfessionelle Schulen (für die auch das Bildungsministerium zuständig ist) sowie religiöse Veranstaltungen. Imame sind als Beamte offiziell beim Ministerium angestellt. Aus Sicht der Regierung hat diese Maßnahme zum Ziel, dass politische Aktivitäten in Moscheen verhindert werden, die Behörden Aktivitäten überwachen können und ausländische Einflüsse begrenzt werden. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes haben fast alle Moscheen einen von der Regierung ernannten Imam. Das öffentliche Bildungssystem ist säkular, es existieren allerdings ca. 40 private islamische Schulen.[10]
Muslimische wie auch nicht muslimische Religionsgemeinschaften müssen sich in Dschibuti, unabhängig davon, ob sie aus dem In- oder Ausland kommen, beim Innenministerium registrieren lassen. Muslimische Gruppen sind außerdem verpflichtet, den Obersten Islamischen Rat im Ministerium für Islamische Angelegenheiten und Waqfs über ihre Existenz zu informieren. Ausländische Geistliche müssen jedes Jahr eine neue Aufenthaltskarte erwerben, sind aber inzwischen von der Pflicht befreit, eine Arbeitserlaubnis zu beantragen.[11] Sowohl muslimische als auch nicht muslimische Glaubensgemeinschaften aus dem Ausland müssen die Genehmigung des Außenministeriums einholen, bevor sie in Dschibuti tätig werden dürfen.[12] Bevor eine Religionsgemeinschaft zugelassen werden kann, finden strikte Hintergrundüberprüfen statt, weshalb der Registrierungsprozess oft mühsam ist. Dabei werden die Verantwortlichen der Gemeinschaft, ihre religiöse Ausrichtung sowie ihre Finanzierung und Ziele im Land überprüft. Es besteht die Möglichkeit einer Ablehnung des Registrierungsantrags, wenn beispielsweise mutmaßliche extremistische Verbindungen, politische Absichten oder ausländische Beziehungen festgestellt werden.[13]
Alle Inhaber hoher Ämter und wichtige Beamte, wie der Präsident und die Mitglieder des Obersten Gerichtshofs und des Verfassungsgerichts, müssen einen religiösen Eid leisten. Für nicht religiöse Eide oder Bekenntnisse gibt es keine Bestimmungen.[14]
In Angelegenheiten im Zusammenhang mit Ehen, Scheidungen oder Erbschaften können Muslime sich an Familiengerichte oder Zivilgerichte wenden. Vor Familiengerichten kommen sowohl Elemente aus dem Zivilrecht sowie dem islamischen Recht zur Anwendung. Für Nicht-Muslime fallen solche Fragen ausschließlich in die Zuständigkeit von Zivilgerichten.[15] Zivile Ehen werden beispielsweise von diesen Gerichten sowohl für Einheimische als auch Ausländer geschlossen. Die Regierung erkennt nicht muslimische religiöse Ehen an, wenn ein offizielles Dokument der Organisation, die die Ehe geschlossen hat, vorgelegt wird.[16] Gemäß Familiengesetzbuch ist eine Heirat zwischen nicht muslimischen Männern und muslimischen Frauen nicht erlaubt, es sei denn, der zukünftige Ehemann konvertiert zum Islam.[17] Darüber hinaus räumt Artikel 39, Absatz 2 (a) dem Ehemann das Recht ein, sich aus einem beliebigen Grund scheiden zu lassen. Die Ehefrau hingegen kann eine Scheidung nur unter bestimmten Voraussetzungen erwirken.[18]
Von Übertritten vom Islam zu anderen Religionen wird abgeraten. Personen, die dennoch zu einer anderen Glaubensgemeinschaft konvertieren, sind von Ächtung und Verfolgung bis hin zu körperlicher Gewalt bedroht.[19]
Von den christlichen Gemeinschaften sind nur die Protestantische, die Römisch-Katholische, die Griechisch-Orthodoxe und die Äthiopisch-Orthodoxe Kirche zugelassen; anderen, insbesondere den Evangelikalen, sind religiöse Aktivitäten und Missionierung untersagt. Die Scientology-Kirche ist als kommerzielle Einrichtung im Land präsent.[20]
Nicht-Muslime werden in Dschibuti im Hinblick auf Beschäftigung im öffentlichen Dienst und Bildung nach wie vor diskriminiert.[21]
Religionsunterricht gehört zum Lehrplan an öffentlichen Schulen. Das Fach wird jedoch allgemein gehalten und setzt keinen Schwerpunkt auf eine bestimmte Religion.[22]
Vorfälle und aktuelle Entwicklungen
Dschibuti ist ein kleines Land am Horn von Afrika mit einer Bevölkerung von knapp unter einer Million. Laut Schätzungen der Vereinten Nationen aus 2020 setzt sich die Bevölkerung Dschibutis hauptsächlich aus Somalis (60 %), gefolgt von Afar (35 %) und Arabern zusammen. Präsident Ismaël Omar Guelleh (IOG) regiert seit mehr als 20 Jahren die autoritäre Koalition Union für eine Präsidiale Mehrheit (UMP).[23]
Im Februar 2023 fanden die Parlamentswahlen statt, die von den wichtigsten Oppositionsparteien allerdings boykottiert wurden. Grund dafür war die Annahme, dass die amtierende UMP ohnehin den Großteil der Sitze erlangen würde. Wie erwartet konnte die UMP 58 der 65 Sitze für sich gewinnen, während die Oppositionspartei Djiboutian Union for Democracy and Justice (Dschibutische Union für Demokratie und Gerechtigkeit, UDJ) die restlichen Sitze für sich entschied.[24]
Während des gesamten Jahres 2023 erließ die Regierung weiter beschränkende Maßnahmen gegen Menschenrechtsorganisationen. Im März wurde der Vizepräsident der Internationalen Föderation für Menschenrechte (FIDH) Alexis Deswaef verhaftet und des Landes verwiesen. Einer anderen Mitarbeiterin der Föderation wurde die Einreise ins Land verwehrt.[25] Die dschibutischen Behörden haben darüber hinaus ihr Durchgreifen in Bezug auf illegale Einwanderung deutlich verschärft; im April 2023 wurden im Zuge dessen in der gleichnamigen Hauptstadt rund 3.000 Menschen verhaftet.[26]
Dschibuti ist genau wie der Rest des Kontinents der Bedrohung durch gewalttätige islamistische Extremistengruppen ausgesetzt. Zu nennen sind hier die somalische Terrorgruppe Harakat al-Shabaab al-Mujahideen (al-Shabaab), Daesh (Islamischer Staat, IS) und die Salafisten in Somaliland und dem somalischen Bundesstaat Puntland.[27] Infolgedessen haben zahlreiche Regierungen Reisewarnungen ausgesprochen, in denen sie ihre Bürger vor der Gefahr von Entführungen in Dschibuti warnen, insbesondere nahe der Grenze zu Somaliland. Gleichzeitig rufen sie zu Vorsicht sowie zur Achtung lokaler Gepflogenheiten auf.[28]
Trotz der Sicherheitsbedenken in Bezug auf islamistische Gruppierung wurden für die Jahre 2023 und 2024 keine expliziten Vorfälle religiös motivierter Gewalt oder Verfolgung gemeldet. Aufgrund der strengen staatlichen Überwachung und der Vorrangstellung des Islam bleiben Nicht-Muslimen viele Rechte und Freiheiten weiterhin teilweise verwehrt. Einige nicht muslimische Kinder werden in der Schule diskriminiert und die Meinungs- sowie Pressefreiheit im Land sind deutlich eingeschränkt.[29]
Im Juni 2024 berichtete der in Paris ansässige Radiosender La Voix de Djibouti, der sich selbst als „der einzige freie und unabhängige dschibutische Pressekanal“ bezeichnet,[30] über die erhöhten Sicherheitsbedenken. Meldungen zufolge waren zwei Mitglieder der Organisation al-Shabaab in der Hauptstadt Dschibuti verhaftet worden. Sie waren aus Äthiopien eingereist und planten einen Anschlag. Nach ihrer Festnahme wurden sie durch die Sicherheitsbehörden verhört, insbesondere um festzustellen, ob sie noch weitere Komplizen im Land hatten. Angesichts der Lage kam es aus Sicherheitsgründen zu einer vorübergehenden Schließung mehrerer Botschaften.[31]
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Angesichts seiner Lage in einer instabilen Region ist Dschibuti nach wie durch Probleme sowohl im Inneren (autoritäre Herrschaft, Armut, hohe Arbeitslosigkeit) genauso gefährdet wir durch externe Bedrohungen (Flüchtlinge und militante islamistische Gruppen).[32] Die Präsenz mehrerer ausländischer Militärstützpunkte schützt Dschibuti bis zu einem gewissen Grad davor, dass innerstaatliche Unruhen in den beiden Nachbarländern Äthiopien und Somalia auf das Land übergreifen.[33] Allerdings werden andere, nicht islamische Religionen in Dschibuti als fremd angesehen, sodass die Religionsfreiheit weiterhin gewissen Einschränkungen unterliegt. Es ist unwahrscheinlich, dass sich diese Situation in naher Zukunft ändern wird, sodass die Aussichten für die Religionsfreiheit unverändert bleiben.
Quellen