SAUDI-ARABIEN
Gesetzeslage zur Religionsfreiheit und deren faktische Anwendung
Salman bin Abd al-Aziz Al Saud ist seit seiner Inthronisierung 2015 König von Saudi-Arabien und damit gleichzeitig Staatsoberhaupt und Regierungschef. Am 27. September 2022 ernannte er seinen Sohn Kronprinz Mohammed bin Salman zum Premierminister.[1] Nach dem Grundgesetz von 1992 muss der König als absoluter Herrscher die Scharia (Islamisches Recht) befolgen.[2] Die Verfassung des Königreichs ist „der Heilige Koran und die Sunna (Traditionen) des Propheten“.[3]
Unter der Herrschaft des verstorbenen Königs Abdullah (2005-2015) hatte es vorsichtige Modernisierungsbestrebungen gegeben.[4] Saudi-Arabien besitzt Stand 2024 ca. 17 % des weltweit bekannten Erdölvorkommens[5] und ist damit eines der wohlhabendsten Länder der Region. Darüber hinaus ist das Land eine politische und religiöse Führungsmacht in der arabischen und islamischen Welt.
Im Jahr 2016 setzte die saudi-arabische Regierung weitreichende wirtschaftliche Reformen um. Ziel der beiden Maßnahmenpakete Vision 2030 und National Transformation Programme (Programm zur nationalen Transformation) ist die Verringerung der Abhängigkeit des Landes vom Öl.[6]
Die saudi-arabische Gesamtbevölkerung beläuft sich auf rund 33,6 Millionen Einwohner. Im Jahr 2022 waren laut Schätzungen der Vereinten Nationen etwa 41,6 % der Einwohner des Landes Ausländer.[7] Etwa 85 bis 90 % der Bevölkerung sind Sunniten; schiitische Muslime machen zwischen 10 und 12 % der Bevölkerung aus und stellen schätzungsweise 25 bis 30 % der Bevölkerung der ölreichen Ostprovinz.[8]
Laut einer inoffiziellen Erhebung schätzt das Apostolische Vikariat Nördliches Arabien die Zahl der in Saudi-Arabien lebenden Katholiken auf mehr als 1,5 Millionen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Arbeiter aus Indien und den Philippinen. Das Königreich Saudi-Arabien unterhält keine offiziellen diplomatischen Beziehungen mit dem Vatikan.[9]
Saudi-Arabien gilt als Geburtsort des Islam und ist die Heimat der zwei wichtigsten heiligen Städte der Muslime, Mekka und Medina. Der saudi-arabische König trägt den offiziellen Titel des „Hüters der heiligen Stätten“. Obwohl die Gesetzgebung auf der islamischen Rechtsschule der Hanbaliten beruht, ist sie stark durch die juristischen Lehren des Gelehrten Muhammad bin Abd al-Wahhab beeinflusst, der im 18. Jahrhundert lebte. Seine Lehren bilden auch die Grundlage des Wahhabismus. Das Land folgt einer strengen Auslegung des sunnitischen Islam, der neben starken Einschränkungen der Frauenrechte auch schwere Strafen für unterschiedliche Verbrechen vorsieht, einschließlich der Todesstrafe.[10]
Saudi-arabische Bürger müssen vor dem Gesetz Muslime sein. Nicht-Muslime müssen zum Islam konvertieren, um die Staatsbürgerschaft erwerben zu dürfen. Kinder muslimischer Väter werden ebenfalls als Muslime angesehen. Die Verbreitung nicht-islamischer Lehren ist in Saudi-Arabien verboten.[11]
Religionsfreiheit ist in Saudi-Arabien weder rechtlich anerkannt noch geschützt. Die Konvertierung vom Islam zu einer anderen Religion wird als Apostasie betrachtet und ist, ebenso wie Blasphemie gegen den Islam, mit der Todesstrafe belegt. Neuerdings neigen saudi-arabische Gerichte dazu, Nachsicht walten zu lassen, und verhängen bei Blasphemie lange Freiheitsstrafen anstelle der Todesstrafe.[12]
Nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 2020 wurden Auspeitschungen, die zuvor als Ta'zir (Ermessensstrafe) verhängt werden konnten, durch Gefängnis- oder Geldstrafen ersetzt.[13] Personen, die der Gotteslästerung, anstößigen Verhaltens in der Öffentlichkeit oder einer Reihe anderer Vergehen für schuldig befunden werden, werden demzufolge nicht mehr ausgepeitscht. Nach Angaben von Justizvertretern können bestimmte Hudud-Vergehen wie etwa Alkoholkonsum, außereheliche sexuelle Handlungen und falsche Anschuldigungen wegen Ehebruchs weiterhin mit Peitschenhieben geahndet werden.[14]
Nicht-muslimische Gebetsstätten sowie das öffentliche Bekenntnis zu nicht-muslimischen Glaubensrichtungen sind untersagt. Entsprechende Verstöße können Diskriminierung, Belästigungen und Festnahmen nach sich ziehen; Nicht-Staatsbürgern droht die Ausweisung. Die Regierung hat wiederholt erklärt, dass Nicht-Muslime, die nicht zuvor vom Islam konvertiert sind, ihren Glauben privat ausüben können. Praktisch fehlt es jedoch an eindeutigen Regelungen, was dazu führt, dass Nicht-Muslime der Willkür der staatlichen Religionspolizei, der Commission for the Promotion of Virtue and Prevention of Vice (Kommission für die Förderung von Tugend und die Prävention von Laster, CPVPV), auch als mutawa bekannt, ausgesetzt sind.[15]
Religionsunterricht (welcher der offiziellen Interpretation des Islam folgen muss) ist in staatlichen Schulen verpflichtend. Abweichende Lehrpläne sind auch in Privatschulen untersagt. Die Schulen sind verpflichtet, sowohl saudi-arabischen als auch ausländischen muslimischen Schülern ein islamisches Lehrprogramm anzubieten. Nicht-muslimische Schüler können in Privatschulen einen Kurs in „Islamische Zivilisation“ belegen. Daneben besteht an internationalen Privatschulen die Möglichkeit, andere Religionen oder Zivilisationen in den Lehrplan aufzunehmen.[16]
Vor Gericht müssen Angeklagte in Saudi-Arabien gleich und nach den Prinzipien der Scharia behandelt werden. Es existiert kein umfassendes, schriftlich niedergelegtes Strafgesetz. Gerichtsbeschlüsse und Urteile fallen daher von Fall zu Fall äußerst unterschiedlich aus. Laut dem 2021 verabschiedeten Beweismittelgesetz[17] sind Geschlecht und Religion keine Ausschlusskriterien mehr für die Zulässigkeit von Beweismitteln vor Gericht. Bis dahin hatten in einigen Fällen von einem Muslim erbrachte Beweise größeres Gewicht als die von einem Nicht-Muslim und Beweise, die von einer muslimischen Frau vorgelegt wurden, hatten in bestimmten Fällen nur halb so viel Gewicht wie die von einem muslimischen Mann.[18]
Das Gesetz zur Terrorismusbekämpfung von 2017 bestraft „jeden, der die Religion oder Entscheidungen des Königs oder Kronprinzen entweder direkt oder indirekt infrage stellt“. Ferner werden folgende Handlungen unter Strafe gestellt: „die Förderung atheistischer Ideologien jeglicher Art“; „jeglicher Versuch, Zweifel an den Grundlagen des Islam zu schüren“; Publikationen, die „den Vorschriften des islamischen Rechts widersprechen“; nicht-islamische öffentliche Religionsausübung; das öffentliche Zurschaustellen nicht-islamischer religiöser Symbole; das Konvertieren eines Muslims zu einer anderen Religion sowie das Missionieren durch Nicht-Muslime.[19]
Trotz der staatlichen Politik gegen nicht-muslimische Bestattungen im Königreich gibt es mindestens einen öffentlichen, nicht-islamischen Friedhof im Land, welcher in Dschidda liegt.[20]
Menschenrechtsstandards werden in Saudi-Arabien „im Sinne der Vorschriften der Scharia“ befolgt.[21] Das Land ist kein Vertragsstaat des Internationalen Pakts über Bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR).[22] Das bedeutet, dass die Menschenrechte, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (UNUDHR) definiert sind, weder anerkannt noch geschützt werden.
Die mutawa (Religionspolizei) überwacht das öffentliche Verhalten[23] und erstattet der regulären Polizei darüber Bericht. Diese wiederum sorgt für eine strenge Durchsetzung islamischer Normen nach wahhabitischer Auslegung. Die Mitglieder der Religionspolizei müssen offizielle Ausweise bei sich tragen. Ihre Kompetenzen wurden zuletzt durch einen königlichen Erlass drastisch eingeschränkt.[24] Seitdem ist die Anzahl von Berichten über Drangsalierungen und Razzien zurückgegangen.[25]
2022 rief Kronprinz Mohammed bin Salman ein Projekt zur Dokumentation korrekter und verifizierter Hadithe (Berichte, die Aussagen und Handlungen Muhammads und seiner Gefährten beschreiben) ins Leben, um deren Missbrauch für extremistische Zwecke zu bekämpfen. Dazu werden die Hadithe in drei Stufen klassifiziert: Die Kategorie „mutawatir Hadith“ umfasst etwa 100 Hadithe, die streng einzuhalten sind; „ahad Hadith“ umfasst Hadithe, die in weniger Quellen überliefert sind und einer Überprüfung unterzogen werden sollen; „khabar Hadith“ beschreibt schwächere Hadithe, die als unauthentisch abzulehnen sind, es sei denn, ihr Inhalt dient dem öffentlichen Interesse.[26]
Im März 2024 berichtete Amnesty International über einen an die Öffentlichkeit gelangten Entwurf des saudi-arabischen Strafgesetzbuches von 2022. Dieser sei ohne öffentliche Beteiligung und ohne jegliche Transparenz vorbereitet worden. Laut Amnesty International steht der Entwurf nicht im Einklang mit internationalen Menschenrechtsstandards und verstärkt Einschränkungen der Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit. Besonders alarmierend seien Passagen zur Todesstrafe, unter anderem auch für Minderjährige; auch körperliche Bestrafungen wie Auspeitschungen seien weiterhin Bestandteil möglicher Strafen. Amnesty International warnte davor, dass die Annahme des Entwurfes eine Institutionalisierung von Menschenrechtsverletzungen bedeuten würde. Die Organisation rief daher die saudische Regierung dazu auf, den Entwurf an internationale Standards anzupassen.[27]
Vorfälle und aktuelle Entwicklungen
Im Januar 2023 feierte die ägyptische Koptisch-Orthodoxe Kirche ihre erste Messe in Saudi-Arabien. Bischof Marcos, Metropolit von Schubra al-Chaima, besuchte über einen Zeitraum von vier Wochen die in Saudi-Arabien lebenden ägyptischen Kopten und beendete seinen Besuch mit der Feier der heiligen Messe am Heiligabend. Der Bischof besuchte verschiedene Städte, darunter neben Riad und Dschidda auch die östliche Region des Landes, wo dank der Unterstützung der saudischen Regierung viele Kopten und auch Eritreer an den Messen teilnehmen konnten.[28]
Ebenfalls im Januar 2023 führten staatliche Sicherheitskräfte mehrere Razzien in der von schiitischen Muslimen dominierten Ostprovinz durch und verhafteten dabei zehn junge Männer. Laut der Nachrichtenagentur Shia Waves kommt es vermehrt zu „politisch motivierten Verhaftungen“, Verfolgungen und Verurteilungen von „friedfertigen, kritisch eingestellten Autoren und Menschenrechtsaktivisten“.[29]
Im Februar 2023 wurden Mitglieder der schiitischen Minderheit unter dem Vorwurf zum Tode verurteilt, sie hätten in al-Awamia gegen „staatliche Diskriminierung der schiitischen Gemeinschaft“ demonstriert.[30] Die vier Männer wurden vor einem „Spezialisierten Strafgericht“ in Riad der Terrorismusunterstützung bezichtigt. Laut der Menschenrechtsorganisation Saudi Organisation for Human Rights (ESOHR) hatte die Staatsanwaltschaft nicht die Todesstrafe, sondern eine Höchststrafe von 20 Jahren Haft gefordert.[31] ESOHR warnte, dies sei ein gefährlicher Präzedenzfall.
Im Februar 2023 wurde Seyyed Nazir Abbas Taqvi, Generalsekretär des pakistanischen Shia Ulema Council (Rat schiitischer Gelehrter), verhaftet, weil er bei seiner Pilgerreise in Mekka eine Fahne mit dem Namen Ali ibn Abi Talibs trug, dem ersten Imam der Schiiten.[32]
Im Februar 2023 traf sich Mohammed bin Abdulkarim Al-Issa, Generalsekretär der Islamischen Weltliga, in Riad mit Christoph Kardinal Schönborn, Erzbischof von Wien, der einer entsprechenden Einladung der Islamischen Weltliga nach Saudi-Arabien mit einer Delegation gefolgt war.[33] Im Dezember 2024 traf sich Mohammed bin Abdulkarim Al-Issa mit Papst Franziskus in Rom.[34]
Im März 2023 floh Emad Al-Moubayed, ein saudischer Geistlicher, aus Angst vor Verfolgung aus dem Land, nachdem er die radikalen Reformen der saudi-arabischen Regierung im Unterhaltungssektor kritisiert hatte. Auf der Plattform X rief der ehemalige Imam der König Abdulaziz Moschee in Dammam „die Regierung zur Gottesfurcht“ bei der Umsetzung von gesellschaftlichen Reformen auf. Diese „löschen den muslimischen Glauben aus und ersetzen die Identität des Islam mit anderen Identitäten“.[35]
Im März 2023 wurde Mariam al-Qisoom zu 25 Jahren Haft verurteilt. Zusätzlich wurde ihr ein 25-jähriges Reiseverbot erteilt. Sie hatte sich für die Menschen- und Bürgerrechte der schiitischen Minderheit in Saudi-Arabien eingesetzt.[36]
Im April 2023 verhängte ein Gericht eine 20-jährige Haftstrafe gegen den seit Oktober 2021 inhaftierten schiitischen Prediger Sheikh Fathi al-Janoubi. Shia Waves berichtete, dass Regierungsbehörden „gezielt schiitische Religionsgelehrte verfolgen, verhaften und lange Haftstrafen oder sogar die Todesstrafe gegen sie verhängen“.[37]
Im Mai 2023 wurden drei US-amerikanische schiitische Pilger in Medina verhaftet. Sie hatten bei einem Besuch des 1926 von Wahhabiten zerstörten Friedhofs al-Baqi T-Shirts mit dem Namen Hassan al-Mujtabas, des zweiten Imams der Schiiten, getragen. Die Männer wurden nach 12 Tagen aus der Haft entlassen.[38]
Im Mai 2023 veröffentlichte das Institute for Monitoring Peace and Cultural Tolerance in School Education (Institut zur Beobachtung von Frieden und kultureller Toleranz in der schulischen Bildung, IMPACT-SE) einen Bericht, in dem es feststellte, dass fast alle zuvor identifizierten, negativen Anmerkungen über Juden und Christen aus den islamischen Lehrbüchern gestrichen worden seien. Laut Bericht würden nun radikale religiöse Ideologien und extremistische Gruppen kritisiert. Zu den Letzteren werden unter anderem die Hisbollah, der Islamische Staat, al-Qaida, die Huthi-Milizen sowie Atheisten gezählt. Die Muslimbruderschaft wird gesondert erwähnt und als „hetzerische Terrorismusorganisation“ bezeichnet.[39]
Im Juni 2023 war es schiitischen Pilgerinnen nicht mehr möglich, einen Blick auf die Grabstätten einiger der wichtigsten schiitischen Imame zu werfen, da die Behörden eine Mauer um diese gezogen hatten. Zuvor waren die Gräber für weibliche Pilger nur durch einen Zaun abgeschirmt gewesen.[40] Im Juli 2023 wurde es jedoch schiitischen Männern gestattet, den Jahrestag des Märtyrers Imam Hussein auf dem al-Baqi-Friedhof zu begehen.[41] Dies war in den vorherigen Jahren nicht erlaubt gewesen.
Im Juli 2023 verhängte das Spezialisierte Strafgericht (SCC) die Todesstrafe gegen den Sunniten Mohammed al-Ghamdi. Laut Gericht hatte er „über den König oder den Kronprinzen in einer Art und Weise geredet, die die Religion oder das Gesetz untergräbt“, und andere Straftaten begangen, die unter das Gesetz zur Terrorismusbekämpfung fallen. Al-Ghamdi war 2022 verhaftet worden, weil er sich öffentlich für die Freilassung von aufgrund ihrer Religion inhaftierten Häftlingen eingesetzt hatte. Im September 2024 wandelte das SCC sein Urteil in eine 30-jährige Haftstrafe um.[42]
Im Juli 2023 legte die in Genf ansässige NGO MENA Rights Group dem UN-Menschenrechtsrat im Rahmen des Universal Periodic Review 2023 einen Bericht zu Saudi-Arabien vor. Die Organisation stellte fest, dass „für Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft ein erhöhtes Risiko besteht, in Saudi-Arabien die Todesstrafe zu erhalten. Sie werden oftmals in Massenprozessen und basierend auf vage definierte Straftaten zu Tode verurteilt. Ihr Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit wird dabei ignoriert.“[43]
Im August 2023 beschloss das Kabinett die Einrichtung des Präsidiums für religiöse Angelegenheiten der Großen Moschee und der Prophetenmoschee. Das Präsidium ist zuständig für die zwei heiligsten Stätten des Islams, Mekka und Medina. Es ist damit auch zuständig für die Imame und Muezzins sowie die Organisation und Verwaltung aller religiösen Belange der beiden Moscheen. Darunter fallen auch die Durchführung von Seminaren sowie die Verbreitung der islamischen Lehre.[44]
Im September 2023 lud die General Authority of Media Regulation (Generaldirektion für Medienregulierung) eine junge Frau vor, weil diese einige Posts geteilt hatte, in denen vermeintlich der Prophet Mohammed und seine Frau Khadija beleidigt wurden. Die Social-Media-Aktivistin wurde für weitere rechtliche Schritte an die Staatsanwaltschaft überstellt. Ihr drohen nun fünf Jahre Haft und eine Geldstrafe von bis zu 3 Millionen Saudi-Riyals (800.000 US-Dollar).[45]
Im Oktober 2023 erhielt eine israelische Delegation die Erlaubnis, in einem Hotel in Riad das Sukkotfest (Laubhüttenfest) zu feiern.[46]
Seit November 2023 wird auf Beschluss des Kabinetts für alle offiziellen Termine der Gregorianische Kalender verwendet. Eine Ausnahme bilden Termine, die einen Bezug zur Scharia haben; diese richten sich nach wie vor nach dem Hidschri-Kalender.[47]
Im Januar 2024 wurden Fußballfans festgenommen, weil sie Lobeslieder auf die Geburt von Ali ibn Abi Talib sangen, des ersten Imams der Schiiten. Die Höchststrafe hierfür beträgt bis zu fünf Jahre Haft.[48]
Am 20. Februar 2024 nahm Louis Raphaël I. Sako, der Patriarch von Bagdad und Oberhaupt der chaldäisch-katholischen Kirche, an einem Forum in Riad teil, auf dem die Rolle der Medien im interreligiösen Dialog besprochen wurde. Der Patriarch sprach von einer „überraschenden Erfahrung“. Er beschrieb Saudi Arabien als einen Ort der Offenheit und der Begegnung, mit dem „der Heilige Stuhl einen offenen Dialog beginnen muss“.[49]
Im März 2024 besuchte der Vorsitzende der US-Kommission für internationale Religionsfreiheit (USCIRF), Rabbi Abraham Cooper, das UNESCO-Weltkulturerbe Diriyah in Saudi-Arabien. Er wurde aufgefordert, in der Öffentlichkeit und beim Besuch von Diriyah seine Kippa abzunehmen. Als er dies ablehnte, wurden die USCIRF-Delegation und Vertreter der US-Botschaft aufgefordert, die Stätte zu verlassen.[50] Die USCIRF-Delegation beendete ihren Besuch in Saudi-Arabien vorzeitig. Der stellvertretende Vorsitzende der USCIRF Frederick A. Davie sagte: „Die Aufforderung der saudischen Staatsvertreter war unerwartet und schmerzhaft. Sie stand nicht nur im Widerspruch zum offiziellen Narrativ der Regierung, dass das Land sich ändere, sondern auch zu den authentischen Anzeichen größerer Religionsfreiheit, die wir hier selbst erlebt haben.“[51]
Im Mai 2024 kritisierte der Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNCRPD) Saudi-Arabien aufgrund der willkürlichen Festnahme, Folter und Misshandlung des Religionsgelehrten Safar bin Abdulrahman al-Hawali. Unter anderem wurde kritisiert, dass dieser ohne Prozess und ohne Rücksicht auf seine Behinderung in Isolationshaft genommen worden war. Laut seinem Neffen sitzt er bereits seit 2018 für seine Kritik am Kronprinzen in Haft.[52]
Im September 2024 kündigte die Vatikanische Apostolische Bibliothek ihre Teilnahme an der Islamic Arts Biennale 2025 in Dschidda an. Bei der Ausstellung sollen mehrere Stücke der vatikanischen Sammlung ausgestellt werden.[53]
Im November 2024 wurde der islamische Gelehrte Saleh Al-Shami aus der Haft entlassen. Der 89-jährige Syrer war seit Januar 2023 ohne offizielle Anklage inhaftiert gewesen.[54]
Im Januar 2025 wurde Mohammed Bu Jbara, ein schiitischer Rezitator aus al-Hasa, für das Rezitieren eines religiösen Gedichts festgenommen.[55]
Im Januar 2025 berichtete die European Saudi Organisation for Human Right (Europäisch‑Saudi‑Arabische Organisation für Menschenrechte, ESOHR), dass die Hinrichtungszahlen in Saudi-Arabien 2024 einen historischen Höhepunkt erreicht hätten und die Anzahl der Anklagen enorm angestiegen sei.[56] Die Zahlen hatten sich im Vergleich zu 2023 verdoppelt. Laut offiziellen Statistiken wurden im Zeitraum von 2015 bis Ende 2024 in Saudi-Arabien 1.585 Menschen hingerichtet. Allein 345 dieser Hinrichtungen (22 %) geschahen im Jahr 2024. Umgerechnet fand in diesem Jahr also alle 25 Stunden eine Hinrichtung statt. Im Vergleich zu 2023 ist die Anzahl der Hinrichtungen damit um 100 % gestiegen: von 172 auf 345.[57]
Im Februar 2025 wurden fünf junge schiitische saudi-arabische Staatsbürger und ein schiitischer Geschäftsmann wegen sektiererischer Aktivitäten zum Tode verurteilt. Das Urteil kann jederzeit vollstreckt werden.[58] Die fünf jungen Männer hatten 2011 und 2012 als Minderjährige an friedlichen Protesten in al-Qatif in der Ostprovinz teilgenommen. Das Urteil gegen alle sechs Schiiten wurde von der „Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen“ der Vereinten Nationen als „willkürlich“ eingestuft.[59] Ein Menschenrechtsbeauftragter der MENA Rights Group sagte: „Zusammen repräsentieren die Fälle das erste Mal in der Geschichte, dass die UN in einem Statement offen über eine systematische Diskriminierung von Schiiten in Bezug auf die Todesstrafe spricht.“[60]
Perspektiven für die Religionsfreiheit
Es gibt positive Entwicklungen, wie etwa die Erkenntnisse des IMPACT-SE, dass fast alle negativen Anmerkungen über Juden und Christen aus islamischen Lehrbüchern gestrichen wurden, oder die offensichtlichen Bemühungen der saudischen Regierung, das Bild eines offenen Landes zu vermitteln, zeigen. Darunter fallen auch Bestrebungen zum interreligiösen Dialog mit christlichen und jüdischen Delegationen. Nichtsdestotrotz herrscht im Königreich Saudi-Arabien nach wie vor ein Mangel an Religions- und Glaubensfreiheit.
Dies zeigt sich insbesondere im Bericht der MENA Rights Group an den UNHRC, laut dem „für Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft ein erhöhtes Risiko besteht, in Saudi-Arabien die Todesstrafe zu erhalten“, sowie dem Bericht von Amnesty International aus dem März 2024, in dem beschrieben wird, dass der Entwurf des saudischen Strafgesetzbuches weiterhin die Todesstrafe für Blasphemie und Apostasie vom Islam vorsieht.[61] Die Perspektiven für die Religionsfreiheit in Saudi-Arabien bleiben unverändert.
Quellen