Maritimes Asien
Die Region Maritimes Asien umfasst die Malaiische Halbinsel, den Malaiischen Archipel, Australien, Neuseeland und die Inselstaaten im indopazifischen Raum. In dieser weitläufigen, strategisch wichtigen Region gibt es Gesellschaften mit einer großen religiösen Vielfalt sowie Gebiete, in denen ein militanter Islam und staatlich auferlegte religiöse Orthodoxie die Religionsfreiheit erheblich einschränken.
Malaysia und die Malediven: Institutionalisierte islamische Unterdrückung
In Malaysia und in den Malediven prägen sunnitisch-islamische Ideologien das Rechtswesen und die Regierung. Sie sind, was die Religionsfreiheit betrifft, nach wie vor die repressivsten Länder in der Region.
In Malaysia veranschaulichen zahlreiche Vorfälle aus dem Berichtszeitraum die anhaltenden Restriktionen und sozialen Spannungen. Unter anderem wurden ein Stand-up-Comedian und ein Händler aus Johor wegen angeblicher Beleidigung des Islam angeklagt.[1] In einem anderen Fall wurde eine alleinerziehende Mutter verurteilt, weil sie angeblich engen Körperkontakt mit einem Mann hatte, der weder ihr Ehemann noch ein enger Verwandter ist.[2] Im Jahr 2024 wurde die katholische Parlamentsabgeordnete Teresa Kok von der Polizei verhört, nachdem sie die Kosten der Halal-Zertifizierung kritisiert hatte.[3] In Sabah wurden in Ausweisdokumenten von Christen willkürlich die Angabe ‚Islam‘ eingetragen.[4] Rohingya-Flüchtlinge wurden aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit und ihres Glaubens diskriminiert.[5] In Sarawak offenbarte die öffentliche Debatte über Bibelunterricht und Fremdenfeindlichkeit die Fragilität des religiösen Miteinanders.[6] Trotz einiger Gerichtsurteile zugunsten der Rechte von Minderheiten bleibt das Klima von unklaren Rechtslagen, staatlicher Überwachung und zunehmender Intoleranz geprägt.
In den Malediven werden die Gesetze, die jegliche nichtislamische religiöse Äußerungen verbieten, weiterhin streng durchgesetzt. 2024 wurden zwei deutsche Touristinnen festgenommen, weil sie Bibeln verteilt hatten.[7] Ein spiritueller Lehrer aus Indien und eine weitere Person wurden 2023 ausgewiesen.[8] Extremistische Gruppen rekrutieren in den Malediven Mitglieder. 2023 wurden 20 Personen von den Vereinigten Staaten mit Sanktionen belegt, weil sie die Terrororganisationen ISIS und Al-Qaida finanziell unterstützt haben. Gefängnisse sind die Orte, an denen Berichten zufolge Radikalisierung stattfindet.[9]
Indonesien: Gegensatz von Blasphemie und Einheit
Seit der Unabhängigkeit 1945 ist Indonesien formell ein säkularer Staat, der das Recht auf Religionsfreiheit anerkennt. Pluralismus hat in dem Land eine lange Tradition, die jetzt ins Wanken gerät. Aceh ist die einzige Provinz, in der die Scharia gilt. Im Januar 2023 wurde in der Hauptstadt Banda Aceh eine Frau öffentlich mit 22 Hieben bestraft, weil sie sich mit einem Mann getroffen hatte, der nicht ihr Ehemann war.[10] Nichtmuslime, insbesondere Christen, sind unverhältnismäßig oft von Blasphemiegesetzen und Einschränkungen der Redefreiheit betroffen. Ein 74-jähriger katholischer Konvertit saß drei Jahre nach der Veröffentlichung eines islamkritischen Buches im Dezember 2023 nach wie vor in Haft.[11] Zum Auftakt seiner Südostasien-Reise mit Aufenthalten in vier Ländern besuchte Papst Franziskus im September 2024 Indonesien. Er forderte das Land auf, seinem Wahlspruch „Einheit in Vielfalt“ treu zu bleiben und ein Vorbild für interreligiöses Miteinander zu sein.[12]
Der Papst beendete seine Asien-Pazifik-Reise mit einem dreitägigen Aufenthalt in Singapur. Er lobte das Engagement des Landes für ein harmonisches religiöses Miteinander und den Schutz der Religionsfreiheit für alle Glaubensrichtungen.[13]
Philippinen und Brunei: Extremismus und Scharia-Recht
Auf Mindanao, der südlichen Insel der Philippinen mit einer großen muslimischen Bevölkerung, hält die dschihadistische Gewalt an. Im Dezember 2023 wurde während eines katholischen Gottesdienstes an der Mindanao State University eine Bombe gezündet. Bei dem Anschlag kamen vier Menschen ums Leben.[14] Bei einem Granatenangriff auf eine Kapelle in Cotabato-Stadt im Mai 2024 wurden zwei Personen verletzt.[15] Bei bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen militanten Islamisten und Regierungstruppen in Maguindanao del Sur wurden 11 Menschen getötet.[16] Diese Ereignisse verdeutlichen die anhaltende Bedrohung, die von Dschihadisten in der Region Bangsamoro ausgeht. Zugleich wird der Regierung vorgeworfen, dass sie das umstrittene Terrorismusbekämpfungsgesetz als Vorwand für Menschenrechtsverletzungen benutzt, etwa zur gezielten Verfolgung von Aktivisten, Geistlichen und indigenen Gemeinschaften, die ihr Land vor Bergbauinteressen schützen wollen.
Trotz internationaler Kritik hält Brunei am Scharia-Strafgesetz fest, das seit April 2019 vollständig in Kraft ist. Es stellt Apostasie, Blasphemie und die Verbreitung nichtislamischer Glaubensrichtungen unter Strafe und sieht Strafen wie Amputation, Auspeitschen und Hinrichtung vor, obwohl de facto ein Moratorium für die Todesstrafe besteht.[17] Trotz der in der Verfassung verankerten Religionsfreiheit gelten für Nichtmuslime erhebliche Einschränkungen, vor allem in Bezug auf das Missionieren, die Verbreitung religiöser Schriften und kritische Äußerungen über den Islam.
Pazifik und Australien: Religionsfreiheit inmitten neuer Spannungen
Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern der Region achten die pazifischen Inselstaaten – darunter Australien, Neuseeland, Timor-Leste und Papua-Neuguinea – im Allgemeinen streng auf den Schutz der Religionsfreiheit. Gleiches gilt für pazifische Mikrostaaten wie Samoa, Tonga, Fidschi und Kiribati.
In Australien wurde die Religionsfreiheit in der Vergangenheit rechtlich geschützt. Aber die jüngsten Entwicklungen geben Anlass zur Sorge. In einigen Bundesstaaten wird von Ärzten verlangt, dass sie Behandlungen und Eingriffe anbieten, die nicht mit ihrem Glauben oder ihrem Gewissen vereinbar sind. In einem Bundesstaat wurde ein katholisches Krankenhaus, in dem aus ethischen Gründen keine Schwangerschaftsabbrüche angeboten wurden, verstaatlicht. Wegen der Flüchtlingslager, die Australien in Nauru unterhält, steht das Land international in der Kritik. Menschenrechtsgruppen und katholische Bischöfe haben die unmenschlichen Bedingungen dort verurteilt. Viele Asylsuchende, von denen viele vor religiöser Verfolgung geflohen sind, werden dort über lange Zeiträume festgehalten. Im November 2024 saßen mehr als 100 Menschen in Nauru fest, die höchste Zahl seit 2013.[18]
In Papua-Neuguinea haben soziale Unruhen und geopolitischer Druck eine Debatte darüber ausgelöst, welchen Platz die Religion im öffentlichen Leben einnehmen soll. Nach schweren Ausschreitungen im Februar 2024, bei denen Menschen zu Tode kamen, warb Premierminister Marape für eine christliche nationale Identität. Bald darauf verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das Papua-Neuguinea zu einer christlichen Nation erklärte. Geistliche warnten vor dem Verlust der kulturellen Vielfalt. Bei seinem Besuch im September 2024 mahnte Papst Franziskus zur Achtung der Menschenwürde und verurteilte Gewalt und Hexenverfolgung. Die zunehmende Politisierung der Religion und externe Einflüsse könnten die Religionsfreiheit und die Vielfalt im Land gefährden.[19]
[1] „In Johor, trader charged with insulting God, Islam, and Prophet on Facebook“, Malaysia Mail, 7. Juni 2023, https://www.malaymail.com/news/malaysia/2023/06/07/in-johor-trader-charged-with-insulting-god-islam-and-prophet-on-facebook/73076 (abgerufen am 15. Januar 2025).
[2] Fiona Tan, „Single mother, 37, sentenced to caning in M'sia for close proximity with man“, 19. April 2024, https://mothership.sg/2024/04/first-woman-caned-khalwat-malaysia/ (abgerufen am 25. Februar 2025).
[3] Joseph Masilamany, „Catholic MP questioned over criticism of mandatory Halal certification“, AsiaNews, 13. September 2024, https://www.asianews.it/news-en/Catholic-MP-questioned-over-criticism-of-mandatory-Hahal-certification-61499.html (abgerufen am 15. Januar 2025).
[4] „Court Orders Removal of ‘Islam’ from Man’s ID in Landmark Decision“, Persecution, 21. August 2024, https://www.persecution.org/2024/08/21/court-orders-removal-of-islam-from-mans-id-in-landmark-decision/ (abgerufen am 15. Januar 2025).
[5] „Rohingyas face discrimination and hostility in Malaysia“, UCA News, 10. August 2021, https://www.ucanews.com/news/rohingya-face-discrimination-and-hostility-in-malaysia/93653 (abgerufen am 15. Januar 2025).
[6] Joseph Masilamany, „Malaysian politician wants Bible back in Sarawak schools“, AsiaNews, 17. November 2024, https://www.asianews.it/news-en/Malaysian-politician-wants-Bible-back-in-Sarawak-schools-61924.html (abgerufen am 15. Januar 2025).
[7] Fathimath Shiuza, „Foreign nationals arrested in Maldives for distributing anti-religious materials; remanded for 10 Days“, Maldives Voice, 29. März 2024, https://maldivesvoice.mv/722 (abgerufen am 16. März 2025).
[8] Ibrahim H. Shihab, „Indian ‘Spiritual Guru’ Detained by Police“, Maldives Republic, 29. September 2023, https://mvrepublic.com/main-stories-in-maldives/indian-spiritual-guru-detained-by-police/ (abgerufen am 16. März 2025).
[9] Darryl Coote, „U.S. sanctions 20 people accused of supporting ISIS, al-Qaida in Maldives“, UPI News, 1. August 2023, https://www.upi.com/Top_News/US/2023/08/01/sanctions-ISIS-al-Qaida-Maldives/2931690876750/ (abgerufen am 20. Februar 2025).
[10] Yusrial, R. „Indonesian Women’s Alliance Warns TNI Law Could Trigger Women’s Collective Trauma“, Tempo, Co. 20. März 2025 https://en.tempo.co/read/1988672/indonesian-womens-alliance-warns-tni-law-could-trigger-womens-collective-trauma?tracking_page_direct (abgerufen am 25. März 2025).
[11] Harsono, A. „Behind Bars for ‘Blasphemy’ in Indonesia“, Human Rights Watch, 23. Dezember 2023, https://www.hrw.org/news/2023/12/23/behind-bars-blasphemy-indonesia (abgerufen am 25. März 2025).
[12] Nicole Winfield and Edna Tarigan, „In Asia, pope urges Indonesia to live up to promise of “harmony in diversity”, fight extremism“, AP News, 4. September 2024, https://apnews.com/article/pope-francis-visit-indonesia-asia-05c710ad993231bd8840c75f959f2b05 (abgerufen am 25. März 2025).
[13] Chin Soo Fang und Carmen Sin, „Once in a lifetime: More than 50,000 gather at National Stadium for Pope Francis’ mass“, The Staits Times, 13. September 2024, https://www.straitstimes.com/singapore/once-in-a-lifetime-excitement-fills-national-stadium-as-pope-francis-arrives-for-papal-mass (abgerufen am 20. September 2024).
[14] Guinto, J. and Simonette, V. „Mindanao: Four killed in explosion at Catholic Mass in Philippines“, BBC, 3. Dezember 2023, https://www.bbc.com/news/world-asia-67604592 (abgerufen am 21. Februar 2025).
[15] Quinones, K., „Philippine Cardinal condemns as horrendous sacrilegious act“, Catholic News Agency, 21. Mai 2024, https://www.catholicnewsagency.com/news/257766/philippine-cardinal-condemns-chapel-bombing-as-horrendous-sacrilegious-act (abgerufen am 21. Februar 2025).
[16] „Philippine troops kill 11 suspected Islamic militants“, Voice of America, 2. Dezember 2023, https://www.voanews.com/a/philippine-troops-kill-11-suspected-islamic-militants-/7381850.html (abgerufen am 21. Februar 2025).
[17] Status of Human Rights in Brunei for the 47th Session of the Universal Periodic Review, European Centre for Law and Justice (ECLJ), April 2025, https://upr-info.org/sites/default/files/country-document/2025-04/ECLJ_UPR47_BruneiDarussalam.pdf, (abgerufen am 10. August 2025).
[18] „Twelve years later, $13 billion, no plan: Offshore processing drags into its thirteenth year“, Asylum Seeker Resource Centre (ASRC), 19. Juli 2025, https://asrc.org.au/2025/07/19/twelve-years-later-offshore-processing/ (abgerufen am 10. August 2025).
[19] Ibid.